Studienreise Nordfrankreich


Mehrmals musste die Studienreise nach Nordfrankreich wegen Corona verschoben werden. In der Zwischenzeit war ein Teil der Angemeldeten abgesprungen – andere wollten unbedingt dort hin. Neue Reisefreunde kamen kurzfristig dazu und so konnte vom 03.11. - 07.11.2021 die Studienreise durchgeführt werden. Der Reiseverlauf wurde geändert und nur in einem Hotel übernachtet. Von Arras aus erkundeten wir das ehemalige Flandern auf französischem Boden.


03.11.2021
Um 07:00 Uhr ging es pünktlich in Ramsen los – und es regnete. Zunächst auf A 6 in Richtung Saarland und von dort nach Frankreich. An Metz vorbei legten wir an einer Raststätte die erste Pause mit Kaffee ein. Der Himmel wurde heller und es blieb trocken. Bei der Weiterfahrt Richtung Westen kam hin und wieder die Sonne durch und bei der zweiten Pause war sie dann endlich da. Arras erreichten wir gegen 14:30 Uhr und bezogen unsere Zimmer im Hôtel Holiday Inn Express. Um 16 Uhr trafen wir uns mit unserer Führerin Julia an der Rezeption und die erste Stadtführung konnte beginnen. Julia zeigte uns Jugendstil- und Art déco-Fassaden nebeneinander und wir lernten diese zu unterscheiden (Art déco = die mit den Schnecken / Spiralen).

Julia machte uns etwas mit der Geschichte der Stadt vertraut: Unter dem Namen „Nemetacum“ war Arras eine bedeutende gallo-römische Stadt und entwickelte sich im Mittelalter um die mächtige Abbaye St-Vaast zu einem der großen Handelsplätze des Nordens, war eine wichtige Produktionsstätte kostbarer Tapissserien und ein Kunstzentrum. Das Artois war ursprünglich eine karolingische Grafschaft.1369 gelangt ganz Flandern durch Heirat zwischen Philipp dem Kühnen und Margarethe von Flandern in den Besitz der Burgunder. Im 16. Jh. gehört Flandern über das Haus Habsburg zum Reich Karl V. von Spanien. 1659 Pyrenäenfrieden – die Heirat zwischen Teresa von Spanien und Ludwig XIV. wird beschlossen. 1667 Devolutionskrieg gegen Spanien; aufgrund seiner Ehe fordert Ludwig XIV. die Abtretung der Spanischen Niederlande. 1668 wird das wallonische Flandern im Frieden von Aachen Frankreich zugesprochen, im Frieden von Utrecht werden 1713 Frankreichs Grenzen festgelegt. Die französische Revolution 1789 fand in Arras regen Zulauf: Maximilien Robespierre wurde hier geboren und lebte und arbeitete hier.
Über die Fußgängerzone erreichten wir den „Place des Héros“, einer der beiden großen Plätze der Stadt, umsäumt von Häusern im einheitlich flämischen Barockstil. Auf der rechten Seite ist die Einheitlichkeit durch des kleinste Haus unterbrochen, bei einer Breite von 1,47 Metern musste der Giebel etwas niedriger ausfallen. An der Stirnseite steht das Hôtel de Ville (Rathaus) mit dem Beffroi im Stil von Spätgotik und Renaissance. Den Turm können wir nicht besteigen, der Aufzug wird repariert. Im Ersten Weltkrieg verlief die Front nur 3 km von der Stadt entfernt. Im Kriegsjahr 1914 wurden Rathaus und Belfried zerstört und in den 1920er Jahren äußerlich originalgetreu wieder aufgebaut. Das Ausmaß der Zerstörung konnten wir an einem Foto nachvollziehen.

Im Rathaus bestaunten wir die Riesen: Die Gemüsebauern Colas und seine Frau Jacqueline aus dem Vorort Achicourt sowie deren Sohn; vor ein paar Jahren kam noch ein Soldat dazu. Die Figuren werden alljährlich bei einem Umzug durch die Stadt getragen. Über enge Gassen erreichten wir den Platz vor dem Theater und gingen weiter zum Haus von Robespierre; hier war seine Kanzlei. Das Haus wurde von Wandergesellen renoviert und dient seitdem als Ausstellungsraum für deren Werkstücke. Wir gelangten zum mächtigen ehemaligen Klosterbezirk Saint-Vaast – kaum vorzustellen, dass diese riesige Anlage, gruppiert um drei Innenhöfe, für gerade mal 8 Mönche errichtet wurde.Ein Teil wird für Musikschule und als Museum genutzt. Im angrenzenden Park erfuhren wir etwas über den Einsatz von chinesischen Arbeitskräften während des Krieges. Am Ende des Parks thront die Kathedrale St-Vaast; sie ist eines der größten religiösen Bauwerke des 18. Jh. in Frankreich. Der Bau der Bischofskirche wurde während der Revolution unterbrochen und erst 1833 beendet. Leider ist die Innenbesichtigung nicht mehr möglich (nach 17 Uhr). Weiter ging es am attraktiven Gebäudekomplex des Finanzamts vorbei. Eine kleine Metzgerei zeigte die örtlichen, deftigen Spezialitäten. Das Gebäude gegenüber war einst das Leihhaus. Dann kamen wir zum Grand'Place; hier steht das älteste (und nicht zerstörte) Haus, das 1467 errichtete „Hôtel les Trois Luppars“ mit dem noch gotischen Treppengiebel. Jetzt aber eine Runde auf dem Riesenrad! Wie eine Puppenstube lag uns die Stadt zu Füßen; die beiden großen Plätzen sind eingerahmt von 155 Häusern, die mit ihren flämischen Giebelseiten die Plätze einrahmen. Das Dreigang-Menü im Restaurant des Hôtels Mercure hatten wir uns redlich verdient.


04.11.2021
Die Fahrt führte uns in das einst bedeutende Bergbaustädtchen Lens, das im ersten und zweiten Weltkrieg schwer zerstört wurde. Auf dem Gelände einer ehemaligen Zeche, die von 1886 bis 1980 Steinkohle förderte, wurde im Dezember 2012 in minimalistischer, preisgekrönter Architektur eine Filiale des Pariser Louvre eröffnet. Der Louvre-Lens ist ein modernes, einstöckiges Gebäude aus gebürstetem Aluminium und Glas. Die Architektur ist zurückhaltend und nimmt die Farben der Umgebung auf. Der Komplex wurde von dem japanischen Architekturbüro SANAA entworfen.

Julia führte uns durch die Galerie du Temps; hier werden Meisterwerke des Louvre aus 5.500 Jahren chronologisch entlang einer Zeitachse präsentiert. Die Exponate sind locker im Raum verteilt. Die Dauerausstellung verändert jährlich ihr Gesicht, da turnusgemäß jeweils 10 % der Exponate ausgetauscht werden.

Eine Picasso-Ausstellung findet zeitgleich statt und konnte in Eigenregie besucht werden, der Museumsshop bot auch einiges und im Museumscafé wurde noch eine Stärkung eingenommen.

Im Nachbarort Liévin sind Depots und Werkstätten für die Renovierung gebaut worden. Im Oktober 2019 wurde der riesige Kunstbunker eingeweiht. Bis 2024 sollen dorthin rund 250.000 Werke umziehen, die derzeit noch im Louvre und an über 60 Standorten gelagert sind. Der Louvre verlagert seine Kunstschätze, um sie vor den Hochwassern der Seine zu schützen.

Der Nachmittag stand ganz im Zeichen des Gedenkens an den Krieg. Hier in der Region spricht man immer noch vom „Grande Guerre“ (großer Krieg); damit ist der Erste Weltkrieg gemeint, der hier jahrelang wütete. Wir fuhren zur Loretto-Anhöhe. Diese war 1915 Schauplatz der „Loretto-Schlacht“ und immer
wieder umkämpft. Allein hier fielen 188.000 Soldaten. 1925 wurde hier für die Gefallenen der Schlachten im Artois ein nationaler Militärfriedhof „Notre-Dame-de-Lorette“ eingerichtet – der größte in Frankreich. Zu der Anlage gehören eine neobyzantinische Basilika und ein gewaltiger Turm, in dem zum Gedenken ein Leuchtfeuer brennt.
Am 11. November 2014 (96. Jahrestag der Unterzeichnung des Waffenstillstandsabkommen im Wald von Compiègne) wurde neben dem Militärfriedhof eine bewegende internationale Gedenkstätte in Form eines begehbaren Rings eingeweiht, der “Ring der Erinnerungen“. Auf 500 Metallstelen sind auf Vor- und Rückseite die Namen aller in den Departements Nord und Pas-de- Calais Gefallenen eingraviert. Die 580.000 Namen sind in alphabetischer Reihenfolge aufgeführt, ohne Unterscheidung von Rang oder Nationalität, gemeinsam und ungeachtet ob sie Freunde oder Feinde waren (darunter 174.000 Namen von Deutschen). Der ellipsenförmige Ring am Hügelhang ist aus Beton und hat einen Umfang von 328 Metern. Auf 58 Meter schwebt der Ring frei in der Luft und zeigt den Besuchern wie fragil unser Frieden ist.

In der Ferne konnten wir schon unser nächstes Ziel wahrnehmen: Vimy. Der Höhenzug von Vimy war 1915 und im Frühjahr 1917 schwer umkämpft. In der Schlacht bei Arras im April 1917 gelang es kanadischen Verbänden der britischen Expeditionsstreitkräfte, der deutschen Armee den größten Teil der Vimy-Höhe abzunehmen. An dieses wichtige Ereignis der kanadischen Geschichte wird mit dem in der Nähe befindlichen Kanadischen Nationaldenkmal Vimy erinnert. Das Denkmal ist auf auf der Zwanzig-Dollar-Banknote, die von der Bank of Canada am 07.11.2012 herausgegeben wurde abgebildet. Am Hang unterhalb des Monumentes erreichten wir durch ein Besucherzentrum die erhalten gebliebenen Linien der Schützengräben, das Niemandsland zwischen den Gräben und die zahlreichen Krater. Ein bedrückender Eindruck, wenn man wahrnimmt wie nah sich die Feinde gegenüber standen. Die Rasenpflegearbeiten sind gefährlich, da immer noch Munition und Minen in der Erde liegen; daher sind Schafe die Rasenmäher.


Sehr bewegend das Gedicht von Lieutenant Colonel John McCrae: Die Trauer um seinen gefallenen besten Freund Alexis Helmer und die blühenden Mohnblumen auf frischen Gräbern hat er darin verarbeitet (Text = auf der kanadischen Zehn-Dollar-Banknote abgedruckt).
In Flanders Fields
In Flanders fields the poppies blow
Between the crosses, row on row,
That mark our place; and in the sky
The larks, still bravely singing, fly
Scarce heard amid the guns below.
We are the dead. Short days ago
We lived, felt dawn, saw sunset glow,
Loved, and were loved, and now we lie
In Flanders fields.
Take up our quarrel with the foe:
To you from failing hands we throw
The torch; be yours to hold it high.
If ye break faith with us who die
We shall not sleep, though poppies grow
In Flanders fields.

Auf Flanderns Feldern
Auf Flanderns Feldern blüht der Mohn
Zwischen den Kreuzen, Reihe um Reihe,
Die unseren Platz markieren; und am Himmel
Fliegen die Lerchen noch immer tapfer singend
Unten zwischen den Kanonen kaum gehört.
Wir sind die Toten. Vor wenigen Tagen noch
Lebten wir, fühlten den Morgen und sahen den
leuchtenden Sonnenuntergang,
Liebten und wurden geliebt, und nun liegen wir
Auf Flanderns Feldern.
Nehmt auf unseren Streit mit dem Feind:
Aus sinkender Hand werfen wir Euch
Die Fackel zu, die Eure sei, sie hoch zu halten.
Brecht Ihr den Bund mit uns, die wir sterben
So werden wir nicht schlafen, obgleich Mohn wächst
Auf Flanderns Feldern.


Blumen (frisch oder stilisiert) sind ein Gedenksymbol und ein Zeichen der Hoffnung:
• Klatschmohn in den Commonwealth-Staaten von Kanada bis Neuseeland
• „le Bleuet de France“ Kornblume in Frankreich
• Vergissmeinnicht in Deutschland


Zum Abschluss besuchten wir noch den Deutsche Soldatenfriedhof in Neuville-St. Vaast. In den Jahren 1919 bis 1923 wurden die Toten aus deutschen Feldgräbern und kleineren Grabstätten durch die französischen Militärbehörden hierher umgebettet. Beim Aufräumen der Schlachtfelder zur Wiedernutzung für die Landwirtschaft fand man auch noch viele sterbliche Überreste. Auf dem Friedhof ruhen 36.793 Gefallene in Einzelgräbern mit Grabkreuzen aus Metall, die auf Vorder- und Rückseite je einen Namen tragen. Die 129 Gräber für jüdische Soldaten wurden mit Gedenksteinen versehen. Darüber hinaus sind 8.040 Gefallene in einem Massengrab beigesetzt. Der Volksbund
Deutsche Kriegsgräberfürsorge pflegt den Friedhof. Im Laufe des Nachmittags hatte Regen eingesetzt – passend zu dem schweren aber auch enorm wichtigen Thema. Gut, dass im Bus etwas zum Aufwärmen bereitstand.
Zum Abendmenü ging es in Arras zum Grand'Place in das Restaurant „Caves de Saveurs“, das uns hervorragend bewirtete.


05.11.2021

Heute war unser erstes Ziel in Croix, die Villa Cavrois. Die Industriellenvilla wurde zwischen 1929 und 1932 von Robert Mallet-Stevens für den Textilunternehmer Cavrois als Gesamtkunstwerk errichtet. Zwischen Bauhaus- und Art-déco-Stil ist sie: Ein Schloss mit 1.800 qm Wohnfläche. Jahrelang verfiel sie, wurde restauriert und 2015 für das Publikum wieder eröffnet.

Dann ging es in das dynamische Lille, Universitätsstadt und Hauptstadt der Region Hauts-de-France. In beiden Weltkriegen wurde Lille von den deutschen Truppen besetzt. Lille ist heute die zehntgrößte Stadt in Frankreich - mit der umliegenden Region, ist es das viertgrößte Ballungsgebiet nach Paris, Lyon und Marseille. 2004 war Lille Europäische Kulturhauptstadt. Charles de Gaulle wurde 1890 hier geboren. Wir umfuhren die Porte de Paris, ein zwischen 1685 und 1692 errichtetes Tor der ehemaligen Stadtmauer von Lille. Es symbolisiert die Angliederung von Lille zu Frankreich. Zunächst haben wir etwas freie Zeit für die Mittagspause.

Gemeinsam gehen wir dann zum Palais des Beaux-Arts, dem zweitgrößten Kunstmuseum Frankreichs. Wir haben eine Führung in französischer Sprache und Julia übersetzt. Wir sehen die alten Städtereliefs im Keller – wobei ausgerechnet das von Lille die Zeit überlebt hat. Besuchen den Skulpturensaal und dann die Gemäldeausstellung. Warum (bei 72.000 Werken) ausgerechnet eine Fälschung -die nach Hieronymus Bosch aussah- besprochen wurde, blieb uns rätselhaft. Entlarvt jedenfalls wurde die Fälschung, da das Lied, das auf einem Notenblatt aufgemalt ist, erst viele Jahre nach dem Tod von Bosch entstand. Der besprochene Rubens -die Kreuzabnahme- ist jedenfalls echt und das hoffen wir von den weiteren Werken von David, Monet usw. doch auch.

Jetzt ging es zum Grand'Place zur Stadtführung. Der Platz allein erzählt schon Geschichte aus vielen Jahrhunderten: Flämischer Barock, Gotik, Renaissance, Klassizismus, Jugendstil, Art déco und, und … Und das eingebettet in modernes urbanes Leben. Das schönste Gebäude ist Vieille Bourse, die Alte Börse. 1653 unter niederländischer Herrschaft als Vereinigung von 24 Gebäuden um einen Innenhof errichtet, glänzt dieses Ensemble wie in alten Zeiten. Im Innenhof werden Bücher und alte Drucke angeboten, Schach gespielt und vom hektischen Treiben etwas ausgeruht. Gegenüber auf dem Place du Théâtre grüßt die Oper mit einer neoklassizistischen Reliefdarstellung von Apollo und seinen Musen. Links daneben zieht die Industrie- und Handelskammer mit ihrem 76 Meter hohen Turm im neoflämischen Stil der 1920er Jahre die Blicke auf sich. Und am Ende der rechten Straßen ein Beweis: Recycling ist nicht Neues, da steht der ehemalige Pariser Nordbahnhof. Er wurde zu klein, abgebaut und Lille wieder aufgebaut. Aber jetzt mal die Straßenseite wechseln und den Straßenzug mit den dreigeschossigen Häusern aus dem 17. Jahrhundert bestaunen. Ach, da ist ja auch das Lokal, in dem im Film die Sch'tis zu Abend gegessen hatten...... Und was sind die schwarzen Beulen an den Fassaden? Ach, die Kanonenkugeln der Österreicher; 1792 griffen sie die Stadt an, welche sich erfolgreich wehrte und die Kanonenkugeln wurden zum Siegessymbol.

So jetzt aber noch zur Kathedrale, ein kleiner Umweg über einen versteckten Innenhof ist noch drin. Es hat über 100 Jahre gedauert, bis die neugotische Kathedrale Notre-Dame de la Treille von Lille vollendet war. 1854 wurde der Grundstein gelegt – aber erst 1999 konnte sie eingeweiht werden. Der neueste Teil ist die moderne Westwand mit dem riesigen Bronze-Portal des Bildhauers Georges Jeanclos. Die ganze Schönheit erschließt sich von innen: Das milde Abendlicht scheint durch die Lichtwand aus geschnittenem Marmor und taucht die Kathedrale in ein warmes Licht – da hatten wir genau den richtigen Zeitpunkt erwischt. Jetzt aber mit schnellem Schritt zurück – vorbei an Käsegeschäft, Sardinengeschäft, Patisseri, Confiseur, Chocolatier und Cafés..... Der Bus stand schon bereit und zunächst sah es auch so aus, dass uns der Stau aus der Stadt erspart bliebe ….. aber dem war nicht so. In Arras angekommen, ging es nur ganz kurz auf die Zimmer und gleich weiter zum Abendessen, nochmal im Restaurant des Hôtels Mercure.


06.11.2021

Heute stand ein Besuch in Le Cateau-Cambrésis, der Geburtsstadt von Henri Matisse, an. 1952 schenkte der Maler, Grafiker, Zeichner und Bildhauer Henri Matisse seiner Heimatstadt 82 seiner Arbeiten, die heute zusammen mit weiteren Kunstwerken u.a. von Auguste Herbin, Picasso, Chagall und Miro, im „Musée Matisse“ im Palais Fénelon ausgestellt werden.
Die Ausstellung zeigt frühe Werke, erste Skulpturen, Werke aus den mittleren Jahren und späte Werke. In fast Allem lässt sich seine Herkunft aus einer Region, die sich mit Stoffen und Stoffmustern befasst, erahnen. Im Kabinett der Zeichnungen erkennt man wie „bunt“ Matisse in schwarz/weiß zeichnen konnte. Mit Muster für Fenster, Scherenschnitte als er krankheitsbedingt nicht malen konnte, bettlägrig die Zeichnung der drei Enkel an der Zimmerdecke -mit dem Pinsel an der Angelroute ausgeführt- und sein Meisterwerk, die Rosenkranzkapelle in Vence (im Modell), lassen ein Universalgenie erahnen.


In Le Cateau-Cambrésis verbrachten wir noch eine Mittagspause und dann ging es weiter nach Caudry, das von der Herstellung französischer Spitze geprägt ist. Im Spitzenmuseum, dem Musée des Dentelles et Broderies bekommen wir von einem Weber anschaulich die vielen diffizilen Arbeitsgänge bei der Herstellung von Spitzen gezeigt. Caudry hat eine lange Textilgeschichte. Im Museum ist ein Webstuhl aus dem Ende des 19. Jh. in Betrieb, ausgestattet mit einer Lochkartensteuerung von Jacquard. Die Maschine wurde in England von Leavers gefertigt und ermöglichte eine sogenannte Bobinet-Spitze herzustellen auf einer Breite von über 4 Metern. In Calais und Caudry sind die Zentren der Spitzenherstellung (jeweils noch 6 Firmen). Calais hat sich auf Spitze für Dessous, Caudry für Oberbekleidung spezialisiert.


Ein Weber braucht ein siebenjährige Ausbildung an der Maschine. Der Vorgänger lernt seinen Nachfolger an. Der Weber muss eine gute Handfertigkeit mitbringen und vor allen Dingen ein sehr gutes Gehör haben. Wenn z.B. ein Faden reißt, muss er das hören, die Stelle markieren, damit sie später per Hand ausgebessert wird. Gold- und Silberfäden oder bunte Fäden können mit verwebt werden, falls die Spitze hinterher nicht gefärbt wird. Wenn gewünscht, werden auf die fertigen Spitzen noch Pailletten, Stoffstreifen oder was den Designer gerade so einfällt, aufgenäht.


Die Spitze unterliegt der Mode und so können wir in der Ausstellung ganz unterschiedliche Muster und Ausführungen sehen, mal Blüten, mal grafische Muster, mal Buchstaben für Chanel, mal Spinnweben usw. Die Designer holen sich ihre Inspirationen aus der Natur. Von Caudry aus gehen 80 – 90 % der Spitze in den weltweiten Export und die Haute Couture in Paris wird auch damit beliefert. Viele Stars und berühmte Persönlichkeiten tragen Spitze aus Caudry, prominentes Beispiel ist das Hochzeitskleid von Kate Middleton, geschmückt mit Spitze im Stil der 50er Jahre.


Eine Stippvisite in Cambrai schloss sich noch an. Die Geschichte reicht bis in die Römerzeit zurück, gehörte lange zum Heiligen Römischen Reich und wurde von einem Fürstbischof regiert. Kaiser Karl V. ließ in der Grenzstadt eine Zitadelle errichten. Unter seinen Erben gehörte die Stadt zu den Spanischen Niederlanden. Nach mehreren erfolglosen Versuchen gelang es Ludwig XIV. die Stadt im Holländischen Krieg 1677 zu erobern. Der Machtwechsel hatte -wie oft in Flandern noch erkennbar- städtebauliche Folgen: Von nun an durften Häuser nicht mehr mit dem Giebel, also quer zur Straße stehen, sondern mussten längs der Straße gebaut werden. Die französische Revolution
verfolgte die einst so mächtige Geistlichkeit hart und verwandelte bis auf drei Kirchen alle Gotteshäuser in Steinbrüche. Als Frontstadt wurde Cambrai im Ersten Weltkrieg schwer zerstört.

Über die Porte Norte-Dame erreichten wir die Innenstadt. Am Rathaus stiegen wir aus und warteten bis die Stadtglocke von der Laterne schlug: Die beiden bronzenen Mauren Martin und Martine markieren mit Hammerschlag die volle Stunde. Am 15. August gibt es ein großes Fest mit Parade, die Riesen werden abgebaut und durch die Stadt geführt. Das Rathaus wurde im Stil des 18. Jh wieder aufgebaut. Die Stadt aber umgestaltet, so dass der Platz am Rathaus im Art-déco und Artnouveau-Stil bebaut wurde.


Wir kamen am „Spanischen Haus“ von 1595 vorbei; es ist als einziges noch von der alten Bebauung erhalten (heute Tourist-Info). Ein kurzer Blick zum alten Stadttor Porte de Paris, dann besuchten wir kurz die Kirche Notre-Dame-de-la-Grace. Sie ist in dem von Ludwig XIV. gewünschten klassizistischen Stil des 17. Jh. errichtet. Direkt gegenüber steht die Kapelle des Jesuitenkollegs (von 1692) mit einer barocken Fassade. Über ein kleines Gässchen erreichten wir den Belfried, schauten uns mal kurz Spezialitäten im Käsegeschäft an und kamen wieder zum Bus, der uns zurück nach Arras brachte- und da es spät geworden war – direkt in der Stadt absetzte. So konnten wir das Restaurant La Passe Pierre am Place des Héros in Kürze erreichen.
Ein bodenständiges 3-Gang-Menü wurde serviert. Viele Leute waren am Samstagabend unterwegs und gingen aus – entsprechend laut war es in dem Lokal – aber wir sollten ja auch was Typisches kennenlernen. Beim Absacker in der Hotelbar war es wieder bedeutend ruhiger.


06.11.2021
Bei der Heimreise besichtigten noch Reims. Das Zentrum wird von der mächtigen Kathedrale Notre Dame beherrscht; ein Juwel der Hochgotik und Krönungsstätte der französischen Könige. Allein die Außenfassade zieren 2.303 Statuen. Für uns sehr bewegend war das Zeichen der Versöhnung auf der Platte vor dem Dom:
An Monsignore Marty
Erzbischof von Reims
„Eure Exzellenz der Kanzler
Adenauer und ich suchen
Ihre Kathedrale auf
um die Versöhnung
von Deutschland und
Frankreich zu besiegeln“
Charles de Gaulle
Sonntag, den 08. Juli 1962, 11.02 Uhr


Im Innenraum der Kathedrale ist eine Stelle mit einer Bodenplatte markiert: Hier fand um das Jahr 500 die Taufe von Frankenkönig Chlodwig durch Bischof Remigius von Reims statt – der Übergang von der Antike zum Mittelalter. Die Buntglasfenster tauchen den Innenraum in ein magisches Licht; schade, dass die ursprünglichen Fenster im Langhaus nicht mehr vorhanden sind. Beeindruckend ist auch das Fenster der Winzer (natürlich mit der Darstellung von Dom Perignon). Die mystisch blauen Fenster von Marc Chagall in der Axialkapelle erzählen biblische Geschichten. Unsere Stadtführerin Margaret brachte uns mit viel Herzblut die geschichtsträchtige Stadt näher und machte uns neugierig. Reims ist das Herz der Champagne und alle namhaften Champagnerhäuser sind hier vertreten. Eine Reise in die Champagne – das wäre auch noch eine Option.


13.11.2021
Regina Schulz


N.B.: Erwähnenswert ist auch wie konsequent überall Maske und Impfpass kontrolliert wurden.