Studienreise Ostfriesland mit der Kolpingsfamilie Ramsen
Vom 10.10. - 15.10.2020 hatte die Kolpingsfamilie Ramsen eine Studienreise nach Nordfrankreich geplant. Nachdem das Auswärtige Amt die Reisewarnung auf das Gebiet „Hauts de France“ ausgedehnt hatte, musste die Gruppenreise abgesagt werden.
Als Ersatz wurde dann kurzfristig eine Studienreise nach Ostfriesland organisiert. Die 15 Teilnehmer freuten sich als es am 10.10.2020 endlich Richtung Norden los ging. Genügend Abstand im Reisebus war gegeben, die Maskenpflicht wurde eingehalten, Besuche von Museen waren bewusst nicht eingeplant und Risikogebiete wurden nicht angefahren.
Die erste Pause war beim Rasthof Brohltal. Neben uns stand ein weiterer Bus. Beim Aussteigen trafen sich zwei Schwestern, eine mit dem Ziel Ostfriesland und die andere Richtung belgische Grenze unterwegs. ...und das ohne Absprache. Eine größere Pause fand in Meppen statt und wir erkundeten die Altstadt. Gegen Abend erreichten wir Leer und bezogen für fünf Nächte unser Quartier im Hotel Lange, das außerhalb am alten Arm der Leda liegt.
Am nächsten Morgen stand in Leer eine Stadt- und Hafenführung auf dem Programm. Der Himmel hatte zunächst Freudentränen für uns parat, sodass uns die Stadtführerin im „ostfriesennerz-farbenen“ Regencape begrüßte. So ging es mit bunten Regenschirmen zum Museumshafen wo wir unter anderem Plattbodenschiffe kennenlernten. An den beiden Wahrzeichen der Stadt, dem Waagegebäude von 1714 im niederländischen klassizistischen Barock -heute ein nobles Restaurant- und dem Rathaus von 1894 im deutsch-niederländischen Renaissancestil, ging es vorbei in das Herz der Altstadt. Liebevoll restaurierte Gebäude, enge Gassen, kleine Läden und Teestuben laden zum Verweilen ein. Das „Haus Samson“, 1643 im niederländischen Barock erbaut, ist das schönste Gebäude der Stadt und beherbergt heute die Weinhandlung Wolff. Eine Pause wurde im Kulturspeicher und in einer Teestube eingelegt. Danach ging es mit dem Bus in den Stadtteil Loga zur Evenburg, einer Wasserburg aus dem Jahr 1650; umgebaut im 19. Jh., umgeben von einem Landschaftspark im englischen Stil. Anschließend fuhren wir durch das Rheiderland in das malerische Fischerstädtchen Ditzum.
Unterwegs erfuhren wir viel über die ostfriesische Teekultur, z.B. dass „drei Tassen Ostfriesenrecht“ sind und für was der Teelöffel gebraucht wird, wo doch überhaupt nicht umgerührt wird. Pro Kopf verbrauchen die Ostfriesen so 5 – 7 Pfund Tee im Jahr.
Am nächsten Tag stand ein Ausflug auf die Krummhörn an. Zuerst machten wir in Suurhusen dem Schiefsten Turm der Welt unsere Aufwartung. Der Kirchturm ist etwas über 27 Meter hoch und weist am Dachfirst einen Überhang von 2,47 Meter auf, was einer Neigung von 5,19 Grad entspricht. Dann fuhren wir weiter nach Marienhafe. Die im Jahre 1250 begonnene Marienkirche besichtigten wir und konnten uns ein Bild ihrer einstigen Größe machen. Dann bestiegen wir den markanten Turm. Über die Störtebekerkammer ging es zunächst über eine Wendeltreppe aus Holz und dann immer enger werdend aus Stein auf die obere Aussichtsplattform. Der Aufstieg hat sich gelohnt, Ostfriesland lag uns bei herrlichem Sonnenschein zu Füßen, selbst die Niederlande grüßten aus der Ferne. Im Mittelalter war Marienhafe Seehafen und wurde Ende des 14. Jh. Zufluchtsort des legendären Seeräubers Klaus Störtebeker.
Über Norden, mit kurzem Stopp an dem Gebäudeensemble der „Drei Schwestern“ und der Ludgerikirche von 1445, ging es nach Greetsiel. Nahe der Zwillingswindmühlen stiegen wir aus und besuchten den Fischerort. 1464 – 1744 war Greetsiel Stammsitz des prominenten Cirksena-Clans. Das alte Sieltor aus dem Jahr 1798 hat keine Funktion mehr; der Ort ist nicht mehr tideabhängig. Im Hafen bilden die Krabbenkutter ein buntes Bild. Die Häuserzeile aus dem 17. Jh. gibt dem ganzen einen erhabenen Rahmen. Zwischenzeitlich ist der Ort aber etwas überlaufen. Auf der Weiterfahrt konnten wir einen Blick auf den Pilsumer Leuchtturm werfen. Er fungiert schon lange nicht mehr als Leuchtturm – aber mit seiner rot/gelben Bemalung ist er das Wahrzeichen Ostfrieslands und wird meist „Otto-Turm“ genannt.
Weiter ging es nach Rysum, einem alten Rundwarftendorf. Ortsmittelpunkt ist die an höchster Stelle der Warft gebaute Kirche. Sie beherbergt die älteste noch spielbare und im Grundbestand erhaltene Orgel Europas aus der Zeit um 1440. Darüber hinaus gibt es ältere Gulfhöfe, eine Windmühle, und kleine Häuschen der Landarbeiter, ach ja, ein Türschild trägt den Namen „Merkel“ (ob das Häuschen der Kanzlerin gehört?).
Über Emden und am „Otto-Haus“ vorbei fuhren wir zum Emssperrwerk bei Gandersum, ein Bauwerk des Küstenschutzes an der Unterems. Die Gesamtlänge des Sperrwerkes beträgt 476 Meter mit sieben Durchflussöffnungen. Mit dem Sperrwerk wird auch die Ems aufgestaut, damit größere Schiffe der Meyer-Werft von Papenburg zur Nordsee überführt werden können. Wir erfuhren wie wichtig die Deiche für das Land sind und wie die Sieltore und Schöpfwerke funktionieren. Die Schafe sind als Deichpfleger angestellt, sie düngen und treten die Grasnarbe fest. Für Hunde sind die Deiche verboten, damit die Schafe nicht krank werden. Die „friesische Freiheit“ geht auf die Zeit Karls des Großen zurück, Abgaben und Wehrdienst mussten die Friesen nicht leisten aber sie waren verpflichtet die Deiche in Ordnung zu halten. Der alte Spruch: „Wer nicht deichen will – muss weichen“ hatte über viele Jahrhunderte Gültigkeit. Wer den Deich nicht mehr pflegen konnte, rammte seinen Spaten in den Deich und verlor damit sein Land. Wer den Spaten annahm war neuer Besitzer des Landes. Heute übernimmt der NLWKN den Küstenschutz.
Am nächsten Tag war ein zeitiges Frühstück angesagt. Wir fuhren früh los um in Neßmersiel die Fähre zur Insel Baltrum zu erreichen. Die Anfahrt verlief reibungslos, die Nordsee lag ganz ruhig vor uns und die Überfahrt verlief ohne Zwischenfälle. Die Insel Baltrum empfing uns mit Sonnenschein. Zunächst umrundeten wir den Westkopf und konnten uns ein Bild vom Küstenschutz an der Angriffsseite der Insel machen. Im Laufe der Jahrhunderte „wanderten“ die ostfriesischen Inseln immer weiter ostwärts. Erst durch die massive Befestigung an der Westseite der Inseln konnte die Wanderung gestoppt werden.
Anschließend schlenderten wir durch das Dorf, vorbei an der alten Schule, der Alten Inselkirche und der Inselglocke, dem Wahrzeichen der Insel, ging es in die „Einkaufsmeile“. Gestärkt mit Fischbrötchen, stand jetzt ein Spaziergang am weißen Sandstrand an. Dann bestiegen wir die Aussichtsdüne und konnten einen Eindruck über die Welt der Weiß- , Grau- und Braundünen gewinnen. Durch ein kleines Wäldchen erreichten wir den Rosengarten und ließen uns von der Märchenwelt verzaubern. Über den Hellerhook wanderten wir weiter zur Teestube, legten auf den gemütlichen Sofas eine Pause ein und genossen die Spezialitäten aus Küche und Backstube.
Gut gestärkt ging es dann weiter zur reetgedeckten katholischen Kirche, die im Atrium mit einer Sommerkirche und im beheizbaren Rundbau mit einer kleinen Winterkirche aufwartet. Wir kamen an der Inselschule vorbei und konnten dann einen Blick in die große evangelische Kirche werfen. Am Heimatmuseum im alten Zollhaus wurde kurz geschildert, was es da so alles zu sehen gibt. Dann querten wir den Flugplatz und erreichten eine Salzwiese. Letzte Blüten von Strandaster- und -flieder waren noch zu entdecken. Der Queller hat seine Farbe von grün auf rot gewechselt und zeigt jetzt sein Herbstkleid. Leider verging der Tag viel zu schnell und es wurde Zeit die Fähre zu erreichen. Herr Meister wartete bereits mit dem Bus am Hafen und in der Dämmerung fuhren wir zurück nach Leer.
Mittwochs stand dann in Papenburg eine Erkundung rund ums Moor an. Zunächst besuchten wir die van-Veelen-Anlage am Splittingkanal und erfuhren viel über die Geschichte der Stadt, über die „Schnapsidee“ den Leuchtturm von Riga in Papenburg nachzubauen und über die Besiedlung und Kultivierung des Moores. In kleinen Katen aus Heideplacken und Torf „wohnten“ die Familien mit 12 – 14 Kindern und dem Vieh. Der Schwarztorf wurde gestochen, getrocknet, auf Schiffe geladen und über Kanäle in die Städte und zu den Ziegeleien als Brennmaterial gebracht. Für ein Tagwerk Torf konnten 28 Backsteine auf dem Rückweg mitgebracht werden. Damit wurden dann nach und nach die Katen etwas befestigt und Kamine zum Rauchzug gebaut.
Zwei kleine Boote mit Elektroantrieb schipperten uns über Kanäle zum HÖB-See, beim passieren der Brücken mussten wir die Köpfe einziehen. Weiter ging es dann zum Moorlehrpfad in Aschendorf. Am Parkplatz gab es zunächst eine Stärkung aus dem Rucksack, bevor wir uns auf die Erkundung des Moores begaben. Hier und da leuchtet noch etwas lila Glockenheide. Schöne Herbstfarben begleiteten uns auf dem Rundgang. Im Zentrum von Papenburg legten wir am Hauptkanal noch eine Kaffeepause ein. Dann ging es zum „Abschiedsessen“ zurück ins Hotel.
Donnerstags rollte der Bus dann wieder Richtung Heimat. In Emsbüren machten wir noch eine Pause und trafen gegen 17 Uhr wohlbehalten in Ramsen ein.
Reisen in Zeiten mit Corona, muss das denn sein? Das muss jeder für sich selbst entscheiden. Es ist egal wo man ist, wichtig ist, wie man sich benimmt. Für unsere Seele und unser Gehirn sind etwas Abwechslung und Anregung sehr wichtig. Die Reiseteilnehmer haben die neuen Eindrücke gut aufgenommen und die „Ersatzreise“ verlief erfolgreich.