Vom 27.09.- 01.10.2023 führte die Kolpingsfamilie Ramsen eine Studienreise in die südliche Champagne -Departement Aube- durch. Nachdem wir die „trockene“ Champagne mit endlosen Feldern hinter uns gelassen hatten, empfing uns das Tal der Seine mit grünen Weinbergen. Zur Begrüßung ein Glas Champagner und ein Zwei-Gang-Menü in der Auberge du Cygne de la Croix in Nogent-sur-Seine waren ein perfekter Auftakt. Nachmittags besuchten wir das 2017 eröffnete Museum Camille Claudel und bestaunten ihre einfühlsame Werke. Zu ihrer Zeit blieb Frauen der Besuch der Kunstakademie verwehrt – bei ihrem Talent einfach unbegreiflich. Gegen Abend erreichten wir Troyes, den historischen Hauptort der Champagne. Wir bezogen im Hotel Ibis Style unsere Zimmer. Dann ging es gemeinsam zum Abendessen in die nostalgische Katzengasse (ruelle des Chats) zu Pierre et Clément.
Am nächsten Tag lernten wir bei einer Stadtführung Troyes näher kennen. Schon im 12. Jahrhundert war die Stadt ein Handelszentrum und ein Zentrum der Textilherstellung (Leinen); mit über 1.000 Beschäftigten ist die Firma Devanlay (Lacoste) mit Textilfirmen noch ansässig. Die Altstadt hat die Form eines Champagnerkorkens; der Kanal der Seine trennt Kopf und Hals. Hohe Häuser in Streifenfachwerk säumen kleine, malerische Gassen und Plätze. Alles wirkt sehr heimelig. Wir kamen an der Synagoge und dem Haus des Gelehrten Raschi vorbei. Die Kirche St. Pantaleon wartete mit eleganter Architektur, hellen Fenstern in brauner Grisailletechnik und einer eigenwilligen Holzdecke auf. Die Kirche wurde zu Ehren von Papst Urban IV. (geboren in Troyes als Jacques Pantaleon) gebaut. Urban IV. ordnete 1264 das Fronleichnamsfest für die gesamte Kirche an. Er starb im gleichen Jahr und wurde im Dom von Perugia beigesetzt. 1935 wurden seine Gebeine in die von ihm gestiftete Basilika St. Urbain in Troyes gebracht und im Chor bestattet; auf dem Platz dieser Basilika stand zuvor die Schusterwerkstatt seines Vaters. Troyes hat zehn Kirchen – in Relation zur Einwohnerzahl viel mehr als Paris. In der Markthalle holten wir uns Appetit für die Mittagspause. Danach ging es zur Cité du Vitrail, dem 2022 eröffneten Zentrum der Glasmalerei. Ein paar Schritte weiter erwartete uns die gotische Kathedrale Saint Pierre mit ihren herrlichen Buntglasfenstern. Kurz ging es noch zu einem der ältesten Häuser von Troyes, der „Maison du Dauphin“ (von 1472). Die Stadtführung klang im Cellier Saint-Pierre beim Verkosten der „Prunelle von Troyes“ (Schlehen-Spezialität mit 40 %) aus. Danach war Gelegenheit die Stadt noch etwas auf eigene Faust zu erkunden. Der schöne endete Tag endet beim Drei-Gang-Menü im Restaurant le Troyes Fois plus.
Schon hieß es Koffer packen. Am nächsten Morgen brachte uns der Bus in das Dorf Columbey-les-Deux-Eglises. Das große Lothringer Kreuz aus Granit mit Doppelbalken grüßte schon von weitem. Wir besuchten die Boisserie, das Privathaus von Général Charles de Gaulle. Hier hat er nachgedacht und fand Ruhe. Als einziger ausländischer Staatsgast war Konrad Adenauer am 14.09.1958 für zwei Tage hier zu Besuch: Von Feind zu Freund – Grenzen überwinden – Gemeinsamkeiten schaffen – davon profitieren wir noch heute. Beeindruckend wie bescheiden die Familie lebte; er hat auf Pension von Staat und Militär verzichtet. Die Familie de Gaulle ist auf dem Dorffriedhof beigesetzt. Bei Le Cellier in Bar-sur-Aube wurden wir köstlich bewirtet. Eine gute Unterlage für die Besichtigung und Verkostung im Champagnerhaus Philippe Fourrier in Baroville. Bevor wir das Hotel in Magnant erreichten, stand noch ein Abstecher zur Abtei Clairvaux an. Die Abtei wurde 1115 von Bernhard von Clairvaux gegründet. Sie gründete europaweit Tochterklöster; so 1136 Kloster Eberbach, das wiederum 1143/45 die Abtei Otterberg gründete. Im Zuge der französischen Revolution wurde das Kloster aufgelöst und dient als Gefängnis. Das Hotel Le Val Moret erwartete uns zum Abendessen.
Am nächsten Tag standen „Fromage, Renoir und Champagner“ auf dem Programm. Zunächst fuhren wir nach Chaource. In der Fromagerie wird der gleichnamige Weichkäse hergestellt. Wir bekamen die Produktion erläutert, konnten den Käselaiben beim Reifen zuschauen, verkosten und anschließend im Laden einkaufen. Die Fahrt ging weiter nach Essoyes. 1888 hielt sich der Maler Pierre-Auguste Renoir (1841 – 1919) hier zum ersten mal auf. 1896 erwarb er ein Sommerhaus. Die Familie verbrachte nahezu 30 Sommer in Essoyes. Renoir schätzte das Licht hier und die Aufenthalte taten seiner angeschlagenen Gesundheit gut. Bei einer Tour durch das malerische Dorf kann man Schauplätze seiner Werke entdecken und kommt dann durch einen Blumengarten zu Atelier und Wohnhaus. Wir besuchten noch die Grabstätten der Familie. Witzig: Renoirs Grabstein ist wunschgemäß sehr dünn – damit er ihn anheben kann wenn er einen Spaziergang durch das Dorf machen möchte. Im Espace Renoir gibt eine Dauerausstellung Einblicke in Leben und Werk der Künstlerfamilie Renoir. Ein Lokal an der Ource hatte Filet mignon in Brioche für uns zubereitet; eine köstliche Unterlage für die anstehende Champagnerverkostung im Haus Moutaux in Bligny. Unsere Reiseleiterin Carole erklärte uns, dass man für einen Urlaub in Frankreich trainieren müsste – der Magen sei schließlich ein Muskel der Bewegung braucht. Das Hotel nahm sich dies zu Herzen und tischte uns zum Abschluss ein exquisites Vier-Gänge-Menü auf.
Dann hieß es Koffer packen, Lunchpakete einladen und ab in nördliche Richtung Wir erreichten die Straße der Fachwerkkirchen. In Lentilles und Bailly le Franc konnten wir grandiose Beispiele dieser Baukunst aus dem frühen 16. Jahrhundert bewundern. Das Holz für die Kirche Saint-Jacques-Saint-Philippe in Lentilles wurde 1512 geschlagen; das ältestes Buntglasfenster ist auf 1505 datiert. Die Kirche Sainte-Croix-en-son-Exaltation in Bailly le Franc ist jünger und etwas kleiner. In der Region gibt es neben Fachwerkkirchen aber auch zahlreiche Kirchen aus Stein; wir hielten kurz in Villeret an der Eglise Saint-Ferréol und in Chavanges an der Eglise Saint Georges (1554 geweiht). In Brienne fuhren wir am Napoleon-Museum vorbei; hier studierte Napoleon fünf Jahre in der einstigen königlichen Militärschule.
In Nancy legten wir einen Stopp ein und genossen zunächst unser Picknick im Park. Dann besuchten wir den Place Stanislas -seit 1983 auf der UNESCO Welterbeliste- und von den Franzosen als schönster Platz in Frankreich gewählt. Durch den Triumphbogen erreichten wir den Place de la Carriere, die Basilique Saint Epvre, das Palais des Ducs de Lorraine und die Eglise des Cordeliers; die Grablege der lothringischen Herzöge. Noch ein Blick auf das mittelalterliche Stadttor „Porte de la Craffe“, dann ging es zurück zum Bus. Wir verabschiedeten unsere Reiseleiterin Carole.
Mit vielen neuen Eindrücken im Kopf und Champagner und Käse im Laderaum trafen wir drei Stunden später gegen 18:30 Uhr wieder in Ramsen ein.
05.10.2023
Regina Schulz
Studienreise Belgien
Vom 17.10. - 23.10.2022 führte die Kolpingsfamilie Ramsen eine Studienreise nach Belgien durch. Pünktlich um 05.00 Uhr ging es mit dem Bus in Ramsen los; beim Autohof Ramstein stiegen noch Teilnehmer ein. Dann ging es über A6, A62, A1, A60/E42 zügig Richtung Belgien. Um 07:45 Uhr erreichten wir die Grenze. An Lüttich vorbei fuhren wir weiter Richtung Waterloo. Am Bahnhof trafen wir unsere Reiseleiterin Chantalle. Einen ersten Stopp legten wir am Löwenhügel auf dem Schlachtfeld bei Waterloo ein. Dann ging es weiter ins benachbarte Brüssel; am Jubelpark dachten wir: Huch, verfahren, wir sind ja in Berlin gelandet; die Ähnlichkeit mit dem Brandenburger Tor ist frappierend. Auf der Fahrt in die Innenstadt passierten wir die modernen Gebäude mit den Spiegelfassaden der Europäischen Union. Dann ging es zu Fuß weiter zur Erkundung der Altstadt, u.a. wurde St.-Michaels-Kathedrale, Königsgalerie und Grand-Place im flämischen Barock-Stil besucht. Natürlich mussten wir auch dem „manneken pis“ unsere Aufwartung machen. Die Fahrt ging weiter, zunächst fuhren wir auf dem Koekelberg an der mächtigen Nationalbasilika des Heiligen Herzens, der fünftgrößten Kirche der Welt. Über den Brüsseler Ring ging es weiter nach Brügge; wo wir für drei Nächte im Hotel „Le Bois de Bruges“ Quartier bezogen.
Frisch gestärkt ging es dienstags mit der Erkundung von Brügge weiter; im Jahr 2000 wurde die Stadt von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt. Die ganze Stadt ist ein Museum und jede Ecke reizt zum Fotostopp. Der Beginenhof, die Alte Apotheke, der Burgplatz mit Rathaus (von 1376) und Heilig-Blut-Basilika, der ehemalige Hafen und die Brügger Madonna von Michelangelo in der Liebfrauenkirche wurden besucht. Beim Rundgang im Historium lag uns der Marktplatz mit dem Belfort und den Zunfthäusern zu Füßen. Auf dem Programm standen auch das skurrile Frietmuseum und die Besichtigung der Brauerei „Halve Maan“, jeweils mit Verkostung. Den schönen Tag haben wir mit einem Abendessen im Altstadt-Restaurant „Maria von Burgund“ beschlossen. Sehr bemerkenswert ist die Kultur rund um das Bier – jede Sorte Bier im eigenen Pokal.
Am Mittwoch stand bei herrlichem Wetter der Besuch des Naturschutzgebietes „Zwin“ in Knokke-Heist an. Zweimal täglich wird das Biotop aus Schlick und Salzwiesen vom Nordseewasser überflutet und ist ein idealer Lebensraum und Brutgebiet für zahlreiche Vögel. Säbelschnäbler, Seidenreiher, Großer Brachvogel, Weißwangengänse, Möwen und Lerchen konnten wir unter fachkundiger Anleitung entdecken. Die Störche kommen im Frühjahr wieder zurück. Vereinzelt blühten noch kleine Astern und Strandflieder; der Queller hatte schon sein buntes Herbstkleid übergestreift. Zur Mittagszeit ging es weiter nach Blankenberge, die Große Düne wurde bestiegen und der weiße Sandstrand und das Meer lagen uns zu Füßen. Nachmittags besuchten wir das Sea life in Blankenberge.
Am nächsten Morgen wurden die Koffer gepackt; es ging weiter für drei Nächte in den Keizerhof nach Aalst. Zunächst wurde aber Antwerpen angefahren; durch zahlreiche Baustellen war die Wegführung etwas kompliziert. Wir besuchten zu Fuß das historische Zentrum, mit dem beeindruckenden Rathaus und den Zunfthäusern und die Liebfrauenkathedrale mit den monumentalen Gemälden von Rubens. Auf dem Weg zum Hafen passierten wir das Fleischhaus und das moderne Museum „Aan de Stroom“ und kamen durch das “Schipperskwartier“, ein Viertel in dem Gruppen nicht gerne gesehen werden. Dann stand eine zweistündige Hafenrundfahrt mit der „Flandria“ an. Antwerpen ist nach Rotterdam der zweitgrößte Hafen in Europa mit 144.000 Jobs und bildet das größte Chemiezentrum von Europa. Markantes Gebäude ist das Hafenhaus, das von Zaha Hadid entworfen wurde und seit 2016 über der alten Feuerwache wie ein verspiegeltes Schiff über den Hafen wacht. Am Nachmittag wurden wir im Rubenshaus erwartet und konnten uns durch unsere Führer gut in die Zeit versetzen und der Person als Maler, Kunstsammler, Diplomat und Mann von Welt etwas näher kommen. Wir hatten eine der letzten Führungen; das Rubenshaus wird für die nächsten vier Jahr wegen Renovierung geschlossen. Nach Zimmerbezug in Aalst stand einem gemütlichen Abendessen nichts mehr im Wege.
Freitags ging es nach Gent, eine historische aber sehr lebendige Stadt. Zu Fuß erkundeten wir die Altstadt, kamen an Rathaus, Tuchhalle, Theater und dem „Schafstall“ vorbei - Richtung der St.-Bavo-Kathedrale. Hier erwartete uns ein Highlight der Reise: Der renovierte Genter Alter, 1432 von Jan van Eyck vollendet. Mit „Augmented Reality“-Brillen ausgestattet konnten wir in die Vergangenheit reisen; die Entstehung und die bewegte Geschichte des Altars wurde in der Krypta zum Leben erweckt. Anschließend besuchten wir das Meisterwerk. „Die Anbetung des Lamm Gottes“ erstrahlt in frischen Farben und ist hinter dickem Panzerglas gesichert. Bevor wir uns mit ostflämischen Spezialitäten, wie z.B. dem Ganda-Schinken, verwöhnen ließen, setzten wir unseren Spaziergang in der historischen Altstadt fort, Belfried, Gildehäuser, Kirchen, Kleiner Ben, Schifferhäuser, Burg Gravensteen (Geburtsort von Karl V.), Fischhalle, Fleischhaus gruppieren sich mit anderen über 9.000 historischen Gebäuden rund um den Zusammenfluss von Leie und Scheldt. Am Nachmittag genossen wir ab der „Graslei“ das schöne Panorama bei einer Bootsfahrt. Gegen Abend ging es zurück nach Aalst, zum Teil mit gut gefüllten Einkaufstaschen – einfach alles sehr verlockend.
Am Samstagmorgen fuhren wir zum Brüsseler Wahrzeichen, dem Atomium. Es stellt eine 165-milliardenfach vergrößerte Elementarzelle des Eisens dar und wurde anlässlich der Expo 58 errichtet. Die Höhe beträgt 102 Meter, die Kugeln haben einen Durchmesser von 18 und die verbindenden Röhren von 3,3 Metern. Zunächst fuhren wir mit dem Aufzug in die obere Kugel und bestaunten die Konstruktion und die herrliche Aussicht. … und was ist denn da im „Miniaturpark Europa“ zu sehen... das ist doch... richtig, der Dom zu Speyer. Die unteren Kugeln sind mit Treppen und Rolltreppen verbunden; jede Kugel ist anders ausgestattet. Gut, dass wir früh da waren, die Besucherschlange war schon sehr angewachsen. Auf dem Weg ins Europaviertel fuhren wir an den königlichen Schlossgärten mit den Gewächshäusern vorbei, passierten die neugotische Liebfrauenkirche zu Laeken (Ruhestätte der Angehörigen des belgischen Königshauses) und schauten uns den Königlichen Palast in der Stadt an, der als Amtssitz dient. Rund um das Europäische Parlament ist am Samstag nicht viel los; für Außenbesichtigung und einen Mittagsimbiss hat es aber gereicht. Am Nachmittag fuhren wir in den Stadtteil Schaarbeek zur Trainworld. Das Eisenbahnmuseum ist 2015 um den alten Bahnhof entstanden und zeigt eindrucksvoll die Entwicklung der Eisenbahn und die Geschichte des Reisens. Star ist die Pays de Waes-Lokomotive aus dem Jahr 1845, sie gilt als die älteste erhaltene Lokomotive Europas. Die Sonderausstellung „Royals Trains“ dokumentiert das Reisen der königlichen Familie mit den eigenen Zügen.
Am nächsten Morgen mussten wir Abschied nehmen. Bei der Heimreise legten wir noch einen Stopp in der alten Universitätsstadt Leuven ein. Zahlreiche spätgotische Gebäude bilden den Kern der Stadt, Superstar ist das Rathaus aus dem 15. Jh., filigran geschmückt mit Türmchen und 236 Statuen. Gegenüber die barocke Sankt-Peterskirche. Der Oude Markt, die längste Bar der Welt, ist gerade frisch von der Nacht hergerichtet worden. Mittendrin sitzt ruhig die „Kotmadam“, ein Denkmal für eine Zimmerwirtin, die die Studenten bekochte. Das Gebäude der Tuchhalle wird -wie zahlreiche andere Häuser- von der ältesten katholischen Universität Europas genutzt. Über die alte Stadtmauer besuchten wir noch den Großen Beginenhof aus dem 13. Jahrhundert. Heute wird er von Studenten, Gastprofessoren und Uni-Mitarbeitern bewohnt. Dann erwartete uns Philippe in der Universitäts-Bibliothek. Zusammen bestiegen wir die 300 Stufen im Turm zum Carillon und er gab ein bewegendes Konzert für uns. Ein wundervoller Abschluss unserer Reise.
Wir verabschiedeten uns von unserer Reiseleiterin Chantalle und unser Busfahrer Rainer Franz brachte uns gut in die Pfalz zurück; kurz nach 20 Uhr trafen wir wohlbehalten in Ramsen ein.
30.10.2022 - Regina Schulz
Studienreise Nordfrankreich
Mehrmals musste die Studienreise nach Nordfrankreich wegen Corona verschoben werden. In der Zwischenzeit war ein Teil der Angemeldeten abgesprungen – andere wollten unbedingt dort hin. Neue Reisefreunde kamen kurzfristig dazu und so konnte vom 03.11. - 07.11.2021 die Studienreise durchgeführt werden. Der Reiseverlauf wurde geändert und nur in einem Hotel übernachtet. Von Arras aus erkundeten wir das ehemalige Flandern auf französischem Boden.
03.11.2021 Um 07:00 Uhr ging es pünktlich in Ramsen los – und es regnete. Zunächst auf A 6 in Richtung Saarland und von dort nach Frankreich. An Metz vorbei legten wir an einer Raststätte die erste Pause mit Kaffee ein. Der Himmel wurde heller und es blieb trocken. Bei der Weiterfahrt Richtung Westen kam hin und wieder die Sonne durch und bei der zweiten Pause war sie dann endlich da. Arras erreichten wir gegen 14:30 Uhr und bezogen unsere Zimmer im Hôtel Holiday Inn Express. Um 16 Uhr trafen wir uns mit unserer Führerin Julia an der Rezeption und die erste Stadtführung konnte beginnen. Julia zeigte uns Jugendstil- und Art déco-Fassaden nebeneinander und wir lernten diese zu unterscheiden (Art déco = die mit den Schnecken / Spiralen).
Julia machte uns etwas mit der Geschichte der Stadt vertraut: Unter dem Namen „Nemetacum“ war Arras eine bedeutende gallo-römische Stadt und entwickelte sich im Mittelalter um die mächtige Abbaye St-Vaast zu einem der großen Handelsplätze des Nordens, war eine wichtige Produktionsstätte kostbarer Tapissserien und ein Kunstzentrum. Das Artois war ursprünglich eine karolingische Grafschaft.1369 gelangt ganz Flandern durch Heirat zwischen Philipp dem Kühnen und Margarethe von Flandern in den Besitz der Burgunder. Im 16. Jh. gehört Flandern über das Haus Habsburg zum Reich Karl V. von Spanien. 1659 Pyrenäenfrieden – die Heirat zwischen Teresa von Spanien und Ludwig XIV. wird beschlossen. 1667 Devolutionskrieg gegen Spanien; aufgrund seiner Ehe fordert Ludwig XIV. die Abtretung der Spanischen Niederlande. 1668 wird das wallonische Flandern im Frieden von Aachen Frankreich zugesprochen, im Frieden von Utrecht werden 1713 Frankreichs Grenzen festgelegt. Die französische Revolution 1789 fand in Arras regen Zulauf: Maximilien Robespierre wurde hier geboren und lebte und arbeitete hier. Über die Fußgängerzone erreichten wir den „Place des Héros“, einer der beiden großen Plätze der Stadt, umsäumt von Häusern im einheitlich flämischen Barockstil. Auf der rechten Seite ist die Einheitlichkeit durch des kleinste Haus unterbrochen, bei einer Breite von 1,47 Metern musste der Giebel etwas niedriger ausfallen. An der Stirnseite steht das Hôtel de Ville (Rathaus) mit dem Beffroi im Stil von Spätgotik und Renaissance. Den Turm können wir nicht besteigen, der Aufzug wird repariert. Im Ersten Weltkrieg verlief die Front nur 3 km von der Stadt entfernt. Im Kriegsjahr 1914 wurden Rathaus und Belfried zerstört und in den 1920er Jahren äußerlich originalgetreu wieder aufgebaut. Das Ausmaß der Zerstörung konnten wir an einem Foto nachvollziehen.
Im Rathaus bestaunten wir die Riesen: Die Gemüsebauern Colas und seine Frau Jacqueline aus dem Vorort Achicourt sowie deren Sohn; vor ein paar Jahren kam noch ein Soldat dazu. Die Figuren werden alljährlich bei einem Umzug durch die Stadt getragen. Über enge Gassen erreichten wir den Platz vor dem Theater und gingen weiter zum Haus von Robespierre; hier war seine Kanzlei. Das Haus wurde von Wandergesellen renoviert und dient seitdem als Ausstellungsraum für deren Werkstücke. Wir gelangten zum mächtigen ehemaligen Klosterbezirk Saint-Vaast – kaum vorzustellen, dass diese riesige Anlage, gruppiert um drei Innenhöfe, für gerade mal 8 Mönche errichtet wurde.Ein Teil wird für Musikschule und als Museum genutzt. Im angrenzenden Park erfuhren wir etwas über den Einsatz von chinesischen Arbeitskräften während des Krieges. Am Ende des Parks thront die Kathedrale St-Vaast; sie ist eines der größten religiösen Bauwerke des 18. Jh. in Frankreich. Der Bau der Bischofskirche wurde während der Revolution unterbrochen und erst 1833 beendet. Leider ist die Innenbesichtigung nicht mehr möglich (nach 17 Uhr). Weiter ging es am attraktiven Gebäudekomplex des Finanzamts vorbei. Eine kleine Metzgerei zeigte die örtlichen, deftigen Spezialitäten. Das Gebäude gegenüber war einst das Leihhaus. Dann kamen wir zum Grand'Place; hier steht das älteste (und nicht zerstörte) Haus, das 1467 errichtete „Hôtel les Trois Luppars“ mit dem noch gotischen Treppengiebel. Jetzt aber eine Runde auf dem Riesenrad! Wie eine Puppenstube lag uns die Stadt zu Füßen; die beiden großen Plätzen sind eingerahmt von 155 Häusern, die mit ihren flämischen Giebelseiten die Plätze einrahmen. Das Dreigang-Menü im Restaurant des Hôtels Mercure hatten wir uns redlich verdient.
04.11.2021 Die Fahrt führte uns in das einst bedeutende Bergbaustädtchen Lens, das im ersten und zweiten Weltkrieg schwer zerstört wurde. Auf dem Gelände einer ehemaligen Zeche, die von 1886 bis 1980 Steinkohle förderte, wurde im Dezember 2012 in minimalistischer, preisgekrönter Architektur eine Filiale des Pariser Louvre eröffnet. Der Louvre-Lens ist ein modernes, einstöckiges Gebäude aus gebürstetem Aluminium und Glas. Die Architektur ist zurückhaltend und nimmt die Farben der Umgebung auf. Der Komplex wurde von dem japanischen Architekturbüro SANAA entworfen.
Julia führte uns durch die Galerie du Temps; hier werden Meisterwerke des Louvre aus 5.500 Jahren chronologisch entlang einer Zeitachse präsentiert. Die Exponate sind locker im Raum verteilt. Die Dauerausstellung verändert jährlich ihr Gesicht, da turnusgemäß jeweils 10 % der Exponate ausgetauscht werden.
Eine Picasso-Ausstellung findet zeitgleich statt und konnte in Eigenregie besucht werden, der Museumsshop bot auch einiges und im Museumscafé wurde noch eine Stärkung eingenommen.
Im Nachbarort Liévin sind Depots und Werkstätten für die Renovierung gebaut worden. Im Oktober 2019 wurde der riesige Kunstbunker eingeweiht. Bis 2024 sollen dorthin rund 250.000 Werke umziehen, die derzeit noch im Louvre und an über 60 Standorten gelagert sind. Der Louvre verlagert seine Kunstschätze, um sie vor den Hochwassern der Seine zu schützen.
Der Nachmittag stand ganz im Zeichen des Gedenkens an den Krieg. Hier in der Region spricht man immer noch vom „Grande Guerre“ (großer Krieg); damit ist der Erste Weltkrieg gemeint, der hier jahrelang wütete. Wir fuhren zur Loretto-Anhöhe. Diese war 1915 Schauplatz der „Loretto-Schlacht“ und immer wieder umkämpft. Allein hier fielen 188.000 Soldaten. 1925 wurde hier für die Gefallenen der Schlachten im Artois ein nationaler Militärfriedhof „Notre-Dame-de-Lorette“ eingerichtet – der größte in Frankreich. Zu der Anlage gehören eine neobyzantinische Basilika und ein gewaltiger Turm, in dem zum Gedenken ein Leuchtfeuer brennt. Am 11. November 2014 (96. Jahrestag der Unterzeichnung des Waffenstillstandsabkommen im Wald von Compiègne) wurde neben dem Militärfriedhof eine bewegende internationale Gedenkstätte in Form eines begehbaren Rings eingeweiht, der “Ring der Erinnerungen“. Auf 500 Metallstelen sind auf Vor- und Rückseite die Namen aller in den Departements Nord und Pas-de- Calais Gefallenen eingraviert. Die 580.000 Namen sind in alphabetischer Reihenfolge aufgeführt, ohne Unterscheidung von Rang oder Nationalität, gemeinsam und ungeachtet ob sie Freunde oder Feinde waren (darunter 174.000 Namen von Deutschen). Der ellipsenförmige Ring am Hügelhang ist aus Beton und hat einen Umfang von 328 Metern. Auf 58 Meter schwebt der Ring frei in der Luft und zeigt den Besuchern wie fragil unser Frieden ist.
In der Ferne konnten wir schon unser nächstes Ziel wahrnehmen: Vimy. Der Höhenzug von Vimy war 1915 und im Frühjahr 1917 schwer umkämpft. In der Schlacht bei Arras im April 1917 gelang es kanadischen Verbänden der britischen Expeditionsstreitkräfte, der deutschen Armee den größten Teil der Vimy-Höhe abzunehmen. An dieses wichtige Ereignis der kanadischen Geschichte wird mit dem in der Nähe befindlichen Kanadischen Nationaldenkmal Vimy erinnert. Das Denkmal ist auf auf der Zwanzig-Dollar-Banknote, die von der Bank of Canada am 07.11.2012 herausgegeben wurde abgebildet. Am Hang unterhalb des Monumentes erreichten wir durch ein Besucherzentrum die erhalten gebliebenen Linien der Schützengräben, das Niemandsland zwischen den Gräben und die zahlreichen Krater. Ein bedrückender Eindruck, wenn man wahrnimmt wie nah sich die Feinde gegenüber standen. Die Rasenpflegearbeiten sind gefährlich, da immer noch Munition und Minen in der Erde liegen; daher sind Schafe die Rasenmäher.
Sehr bewegend das Gedicht von Lieutenant Colonel John McCrae: Die Trauer um seinen gefallenen besten Freund Alexis Helmer und die blühenden Mohnblumen auf frischen Gräbern hat er darin verarbeitet (Text = auf der kanadischen Zehn-Dollar-Banknote abgedruckt). In Flanders Fields In Flanders fields the poppies blow Between the crosses, row on row, That mark our place; and in the sky The larks, still bravely singing, fly Scarce heard amid the guns below. We are the dead. Short days ago We lived, felt dawn, saw sunset glow, Loved, and were loved, and now we lie In Flanders fields. Take up our quarrel with the foe: To you from failing hands we throw The torch; be yours to hold it high. If ye break faith with us who die We shall not sleep, though poppies grow In Flanders fields.
Auf Flanderns Feldern Auf Flanderns Feldern blüht der Mohn Zwischen den Kreuzen, Reihe um Reihe, Die unseren Platz markieren; und am Himmel Fliegen die Lerchen noch immer tapfer singend Unten zwischen den Kanonen kaum gehört. Wir sind die Toten. Vor wenigen Tagen noch Lebten wir, fühlten den Morgen und sahen den leuchtenden Sonnenuntergang, Liebten und wurden geliebt, und nun liegen wir Auf Flanderns Feldern. Nehmt auf unseren Streit mit dem Feind: Aus sinkender Hand werfen wir Euch Die Fackel zu, die Eure sei, sie hoch zu halten. Brecht Ihr den Bund mit uns, die wir sterben So werden wir nicht schlafen, obgleich Mohn wächst Auf Flanderns Feldern.
Blumen (frisch oder stilisiert) sind ein Gedenksymbol und ein Zeichen der Hoffnung: • Klatschmohn in den Commonwealth-Staaten von Kanada bis Neuseeland • „le Bleuet de France“ Kornblume in Frankreich • Vergissmeinnicht in Deutschland
Zum Abschluss besuchten wir noch den Deutsche Soldatenfriedhof in Neuville-St. Vaast. In den Jahren 1919 bis 1923 wurden die Toten aus deutschen Feldgräbern und kleineren Grabstätten durch die französischen Militärbehörden hierher umgebettet. Beim Aufräumen der Schlachtfelder zur Wiedernutzung für die Landwirtschaft fand man auch noch viele sterbliche Überreste. Auf dem Friedhof ruhen 36.793 Gefallene in Einzelgräbern mit Grabkreuzen aus Metall, die auf Vorder- und Rückseite je einen Namen tragen. Die 129 Gräber für jüdische Soldaten wurden mit Gedenksteinen versehen. Darüber hinaus sind 8.040 Gefallene in einem Massengrab beigesetzt. Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge pflegt den Friedhof. Im Laufe des Nachmittags hatte Regen eingesetzt – passend zu dem schweren aber auch enorm wichtigen Thema. Gut, dass im Bus etwas zum Aufwärmen bereitstand. Zum Abendmenü ging es in Arras zum Grand'Place in das Restaurant „Caves de Saveurs“, das uns hervorragend bewirtete.
05.11.2021
Heute war unser erstes Ziel in Croix, die Villa Cavrois. Die Industriellenvilla wurde zwischen 1929 und 1932 von Robert Mallet-Stevens für den Textilunternehmer Cavrois als Gesamtkunstwerk errichtet. Zwischen Bauhaus- und Art-déco-Stil ist sie: Ein Schloss mit 1.800 qm Wohnfläche. Jahrelang verfiel sie, wurde restauriert und 2015 für das Publikum wieder eröffnet.
Dann ging es in das dynamische Lille, Universitätsstadt und Hauptstadt der Region Hauts-de-France. In beiden Weltkriegen wurde Lille von den deutschen Truppen besetzt. Lille ist heute die zehntgrößte Stadt in Frankreich - mit der umliegenden Region, ist es das viertgrößte Ballungsgebiet nach Paris, Lyon und Marseille. 2004 war Lille Europäische Kulturhauptstadt. Charles de Gaulle wurde 1890 hier geboren. Wir umfuhren die Porte de Paris, ein zwischen 1685 und 1692 errichtetes Tor der ehemaligen Stadtmauer von Lille. Es symbolisiert die Angliederung von Lille zu Frankreich. Zunächst haben wir etwas freie Zeit für die Mittagspause.
Gemeinsam gehen wir dann zum Palais des Beaux-Arts, dem zweitgrößten Kunstmuseum Frankreichs. Wir haben eine Führung in französischer Sprache und Julia übersetzt. Wir sehen die alten Städtereliefs im Keller – wobei ausgerechnet das von Lille die Zeit überlebt hat. Besuchen den Skulpturensaal und dann die Gemäldeausstellung. Warum (bei 72.000 Werken) ausgerechnet eine Fälschung -die nach Hieronymus Bosch aussah- besprochen wurde, blieb uns rätselhaft. Entlarvt jedenfalls wurde die Fälschung, da das Lied, das auf einem Notenblatt aufgemalt ist, erst viele Jahre nach dem Tod von Bosch entstand. Der besprochene Rubens -die Kreuzabnahme- ist jedenfalls echt und das hoffen wir von den weiteren Werken von David, Monet usw. doch auch.
Jetzt ging es zum Grand'Place zur Stadtführung. Der Platz allein erzählt schon Geschichte aus vielen Jahrhunderten: Flämischer Barock, Gotik, Renaissance, Klassizismus, Jugendstil, Art déco und, und … Und das eingebettet in modernes urbanes Leben. Das schönste Gebäude ist Vieille Bourse, die Alte Börse. 1653 unter niederländischer Herrschaft als Vereinigung von 24 Gebäuden um einen Innenhof errichtet, glänzt dieses Ensemble wie in alten Zeiten. Im Innenhof werden Bücher und alte Drucke angeboten, Schach gespielt und vom hektischen Treiben etwas ausgeruht. Gegenüber auf dem Place du Théâtre grüßt die Oper mit einer neoklassizistischen Reliefdarstellung von Apollo und seinen Musen. Links daneben zieht die Industrie- und Handelskammer mit ihrem 76 Meter hohen Turm im neoflämischen Stil der 1920er Jahre die Blicke auf sich. Und am Ende der rechten Straßen ein Beweis: Recycling ist nicht Neues, da steht der ehemalige Pariser Nordbahnhof. Er wurde zu klein, abgebaut und Lille wieder aufgebaut. Aber jetzt mal die Straßenseite wechseln und den Straßenzug mit den dreigeschossigen Häusern aus dem 17. Jahrhundert bestaunen. Ach, da ist ja auch das Lokal, in dem im Film die Sch'tis zu Abend gegessen hatten...... Und was sind die schwarzen Beulen an den Fassaden? Ach, die Kanonenkugeln der Österreicher; 1792 griffen sie die Stadt an, welche sich erfolgreich wehrte und die Kanonenkugeln wurden zum Siegessymbol.
So jetzt aber noch zur Kathedrale, ein kleiner Umweg über einen versteckten Innenhof ist noch drin. Es hat über 100 Jahre gedauert, bis die neugotische Kathedrale Notre-Dame de la Treille von Lille vollendet war. 1854 wurde der Grundstein gelegt – aber erst 1999 konnte sie eingeweiht werden. Der neueste Teil ist die moderne Westwand mit dem riesigen Bronze-Portal des Bildhauers Georges Jeanclos. Die ganze Schönheit erschließt sich von innen: Das milde Abendlicht scheint durch die Lichtwand aus geschnittenem Marmor und taucht die Kathedrale in ein warmes Licht – da hatten wir genau den richtigen Zeitpunkt erwischt. Jetzt aber mit schnellem Schritt zurück – vorbei an Käsegeschäft, Sardinengeschäft, Patisseri, Confiseur, Chocolatier und Cafés..... Der Bus stand schon bereit und zunächst sah es auch so aus, dass uns der Stau aus der Stadt erspart bliebe ….. aber dem war nicht so. In Arras angekommen, ging es nur ganz kurz auf die Zimmer und gleich weiter zum Abendessen, nochmal im Restaurant des Hôtels Mercure.
06.11.2021
Heute stand ein Besuch in Le Cateau-Cambrésis, der Geburtsstadt von Henri Matisse, an. 1952 schenkte der Maler, Grafiker, Zeichner und Bildhauer Henri Matisse seiner Heimatstadt 82 seiner Arbeiten, die heute zusammen mit weiteren Kunstwerken u.a. von Auguste Herbin, Picasso, Chagall und Miro, im „Musée Matisse“ im Palais Fénelon ausgestellt werden. Die Ausstellung zeigt frühe Werke, erste Skulpturen, Werke aus den mittleren Jahren und späte Werke. In fast Allem lässt sich seine Herkunft aus einer Region, die sich mit Stoffen und Stoffmustern befasst, erahnen. Im Kabinett der Zeichnungen erkennt man wie „bunt“ Matisse in schwarz/weiß zeichnen konnte. Mit Muster für Fenster, Scherenschnitte als er krankheitsbedingt nicht malen konnte, bettlägrig die Zeichnung der drei Enkel an der Zimmerdecke -mit dem Pinsel an der Angelroute ausgeführt- und sein Meisterwerk, die Rosenkranzkapelle in Vence (im Modell), lassen ein Universalgenie erahnen.
In Le Cateau-Cambrésis verbrachten wir noch eine Mittagspause und dann ging es weiter nach Caudry, das von der Herstellung französischer Spitze geprägt ist. Im Spitzenmuseum, dem Musée des Dentelles et Broderies bekommen wir von einem Weber anschaulich die vielen diffizilen Arbeitsgänge bei der Herstellung von Spitzen gezeigt. Caudry hat eine lange Textilgeschichte. Im Museum ist ein Webstuhl aus dem Ende des 19. Jh. in Betrieb, ausgestattet mit einer Lochkartensteuerung von Jacquard. Die Maschine wurde in England von Leavers gefertigt und ermöglichte eine sogenannte Bobinet-Spitze herzustellen auf einer Breite von über 4 Metern. In Calais und Caudry sind die Zentren der Spitzenherstellung (jeweils noch 6 Firmen). Calais hat sich auf Spitze für Dessous, Caudry für Oberbekleidung spezialisiert.
Ein Weber braucht ein siebenjährige Ausbildung an der Maschine. Der Vorgänger lernt seinen Nachfolger an. Der Weber muss eine gute Handfertigkeit mitbringen und vor allen Dingen ein sehr gutes Gehör haben. Wenn z.B. ein Faden reißt, muss er das hören, die Stelle markieren, damit sie später per Hand ausgebessert wird. Gold- und Silberfäden oder bunte Fäden können mit verwebt werden, falls die Spitze hinterher nicht gefärbt wird. Wenn gewünscht, werden auf die fertigen Spitzen noch Pailletten, Stoffstreifen oder was den Designer gerade so einfällt, aufgenäht.
Die Spitze unterliegt der Mode und so können wir in der Ausstellung ganz unterschiedliche Muster und Ausführungen sehen, mal Blüten, mal grafische Muster, mal Buchstaben für Chanel, mal Spinnweben usw. Die Designer holen sich ihre Inspirationen aus der Natur. Von Caudry aus gehen 80 – 90 % der Spitze in den weltweiten Export und die Haute Couture in Paris wird auch damit beliefert. Viele Stars und berühmte Persönlichkeiten tragen Spitze aus Caudry, prominentes Beispiel ist das Hochzeitskleid von Kate Middleton, geschmückt mit Spitze im Stil der 50er Jahre.
Eine Stippvisite in Cambrai schloss sich noch an. Die Geschichte reicht bis in die Römerzeit zurück, gehörte lange zum Heiligen Römischen Reich und wurde von einem Fürstbischof regiert. Kaiser Karl V. ließ in der Grenzstadt eine Zitadelle errichten. Unter seinen Erben gehörte die Stadt zu den Spanischen Niederlanden. Nach mehreren erfolglosen Versuchen gelang es Ludwig XIV. die Stadt im Holländischen Krieg 1677 zu erobern. Der Machtwechsel hatte -wie oft in Flandern noch erkennbar- städtebauliche Folgen: Von nun an durften Häuser nicht mehr mit dem Giebel, also quer zur Straße stehen, sondern mussten längs der Straße gebaut werden. Die französische Revolution verfolgte die einst so mächtige Geistlichkeit hart und verwandelte bis auf drei Kirchen alle Gotteshäuser in Steinbrüche. Als Frontstadt wurde Cambrai im Ersten Weltkrieg schwer zerstört.
Über die Porte Norte-Dame erreichten wir die Innenstadt. Am Rathaus stiegen wir aus und warteten bis die Stadtglocke von der Laterne schlug: Die beiden bronzenen Mauren Martin und Martine markieren mit Hammerschlag die volle Stunde. Am 15. August gibt es ein großes Fest mit Parade, die Riesen werden abgebaut und durch die Stadt geführt. Das Rathaus wurde im Stil des 18. Jh wieder aufgebaut. Die Stadt aber umgestaltet, so dass der Platz am Rathaus im Art-déco und Artnouveau-Stil bebaut wurde.
Wir kamen am „Spanischen Haus“ von 1595 vorbei; es ist als einziges noch von der alten Bebauung erhalten (heute Tourist-Info). Ein kurzer Blick zum alten Stadttor Porte de Paris, dann besuchten wir kurz die Kirche Notre-Dame-de-la-Grace. Sie ist in dem von Ludwig XIV. gewünschten klassizistischen Stil des 17. Jh. errichtet. Direkt gegenüber steht die Kapelle des Jesuitenkollegs (von 1692) mit einer barocken Fassade. Über ein kleines Gässchen erreichten wir den Belfried, schauten uns mal kurz Spezialitäten im Käsegeschäft an und kamen wieder zum Bus, der uns zurück nach Arras brachte- und da es spät geworden war – direkt in der Stadt absetzte. So konnten wir das Restaurant La Passe Pierre am Place des Héros in Kürze erreichen. Ein bodenständiges 3-Gang-Menü wurde serviert. Viele Leute waren am Samstagabend unterwegs und gingen aus – entsprechend laut war es in dem Lokal – aber wir sollten ja auch was Typisches kennenlernen. Beim Absacker in der Hotelbar war es wieder bedeutend ruhiger.
06.11.2021 Bei der Heimreise besichtigten noch Reims. Das Zentrum wird von der mächtigen Kathedrale Notre Dame beherrscht; ein Juwel der Hochgotik und Krönungsstätte der französischen Könige. Allein die Außenfassade zieren 2.303 Statuen. Für uns sehr bewegend war das Zeichen der Versöhnung auf der Platte vor dem Dom: An Monsignore Marty Erzbischof von Reims „Eure Exzellenz der Kanzler Adenauer und ich suchen Ihre Kathedrale auf um die Versöhnung von Deutschland und Frankreich zu besiegeln“ Charles de Gaulle Sonntag, den 08. Juli 1962, 11.02 Uhr
Im Innenraum der Kathedrale ist eine Stelle mit einer Bodenplatte markiert: Hier fand um das Jahr 500 die Taufe von Frankenkönig Chlodwig durch Bischof Remigius von Reims statt – der Übergang von der Antike zum Mittelalter. Die Buntglasfenster tauchen den Innenraum in ein magisches Licht; schade, dass die ursprünglichen Fenster im Langhaus nicht mehr vorhanden sind. Beeindruckend ist auch das Fenster der Winzer (natürlich mit der Darstellung von Dom Perignon). Die mystisch blauen Fenster von Marc Chagall in der Axialkapelle erzählen biblische Geschichten. Unsere Stadtführerin Margaret brachte uns mit viel Herzblut die geschichtsträchtige Stadt näher und machte uns neugierig. Reims ist das Herz der Champagne und alle namhaften Champagnerhäuser sind hier vertreten. Eine Reise in die Champagne – das wäre auch noch eine Option.
13.11.2021 Regina Schulz
N.B.: Erwähnenswert ist auch wie konsequent überall Maske und Impfpass kontrolliert wurden.
Studienreise 2021 in das Traumland Norwegen
Die Kolpingsfamilie Ramsen besuchte vom 11.09. - 18.09.2021 mit 21 Personen Norwegen. Nach Ankunft am Flughafen in Oslo ging es am Mjøsasee, dem größten See Norwegens (117 km lang, 15 km breit) entlang. Unterwegs grüßte uns in Hamar das auf dem kopfstehende Wikingerschiff, eine der größten Eisschnelllaufhallen der Welt. In Lillehammer stand ein Bummel in der Fußgängerzone und ein Besuch der Sprungschanzen mit der Olympiafackel von 1994 an. Anschließend ging es weiter zur Stabkirche in Ringebu. Dann wurde ein Berghotel auf einem Fjell zur ersten Übernachtung angesteuert.
Am nächsten Morgen fuhren wir durch das Gudbrandstal und über das herbstliche Dovrefjell weiter nach Trondheim. Zunächst ging es mit dem Bus hinauf zur Festung Kristiansen. Hier hatten wir einen sehr guten Blick über die Stadt. Beim Stadtrundgang sahen wir das Rathaus, den neuen Marktplatz mit dem Standbild des Stadtgründers Olav Tryggvason, die königliche Residenz „Stiftsgården“ -das größte Holzgebäude Skandinaviens-. Über die Holzbrücke Gamle Bybro, dem „Tor zum Glück“, stattet wir dem Viertel Bakklandet einen Besuch ab. Tina erklärte uns den Fahrradlift „Trampe“ und Björn sang uns an der Radioskulptur ein Lied. Dann stand als Highlight der Besuch der großartigsten Kirche Skandinaviens an: Der Nidarosdom -Grablege des Heiligen Olav und Krönungsstätte der norwegischen Könige-. Einige waren sehr ergriffen von dem gewaltigen Kirchenraum. Zum Nidarosdom führen die acht verschiedenen Routen der St. Olavswege; auf insgesamt 3.000 km Länge sind Pilger und Wanderer unterwegs.
Spät nachmittags fuhren wir weiter nach Stiklestad. Hier starb am 29. Juli 1030 der norwegische König Olav II. Haraldsson in einer Schlacht; später wurde sein Leichnam nach Trondheim (damals Nidaros) gebracht und er wurde heiliggesprochen. Olav ist der ewige König Norwegens; er markiert den Übergang von der Wikingerzeit zum Christentum und einte erstmals Norwegen. Abends wurde uns stilgerecht in einem Wikingerlanghaus ein Wikingermahl serviert.
Wieder war ein zeitiges Frühstück angesagt. Es ging ans Meer. Über Trondheim erreichten wir die Altlantikstraße und staunten nicht schlecht über die spektakuläre Streckenführung durch die zerklüftete Schärenlandschaft. Über die Küsten-Festungsanlage der Deutschen Wehrmacht in Bud und die Rosenstadt Molde fuhren wir weiter nach Ålesund. Der Bus brachte uns zum Aussichtspunkt auf dem Aksla. Für die letzten Meter zu Fuß wurden wir mit einer fantastischen Aussicht über die auf drei Inseln liegende Stadt Ålesund und der sie umgebenden Fjordlandschaft belohnt. Vor dem Abendessen gab es noch einen Rundgang durch die Stadt. Am 23.01.1904 wütete in der Stadt 16 Stunden lang ein verheerender Großbrand; über 850 Holzhäuser wurden zerstört. Die Stadt wurde im Jugendstil wieder aufgebaut; tatkräftige Hilfe kam auch aus Deutschland, insbesondere von Kaiser Wilhelm II.. Er war ein großer Norwegenliebhaber und unterstütze den Aufbau auch mit seinen privaten Mitteln. Eine Straße ist nach ihm benannt und ein Denkmal wurde errichtet.
Der vierte Tag wartet zunächst mit den Trollstigen auf. In elf engen Haarnadelkurven zieht sich die Straße an einer Felswand hoch und überquert den Wasserfall Stigfossen. Oben angekommen gab es einen Abstecher zu der Aussichtsplattform. Weiter ging es Richtung Linge zur Fähre nach Eidsdal. Zuvor ließen wir uns von dem tosendem Wasser der Gudbrandsschlucht noch etwas erfrischen. Nach der Fähre befuhren wir die Adlerstraße, die uns über viele Serpentinen nach Geiranger brachte. Dann stand eine Bootsfahrt auf dem Geirangerfjord an, vorbei an den Wasserfällen der „Sieben Schwestern“, „Freier“ und „Brautschleier“. In Hellesylt ging es wieder an Land und gleich der nächste Wasserfall: Hellesyltfossen. Auf dem Weg nach Skei zogen wir noch eine Schleife über Olden ins hintere Briksdal und hatten eine herrliche Sicht auf den Briksdalsbreen, einem Seitenarm des Jostedalsbreen, dem größten europäischen Festlandsgletscher (474 qkm , 500 m dick). Am Innvikfjord entlang erreichten wir Utvik und überquerten das Utvikfjell, bevor wir in Skei am Jølstravatnet unser Hotel bezogen.
Morgens lagen zauberhafte Dunstfelder über dem See, gerade so als würden Feen Wattebänder durch die Landschaft ziehen. Unseren ersten Stopp legten wir am leicht zugänglichen Bøyabreen ein, einem Hängegletscher, der ebenfalls zum Jostedalsbreen gehört. Im Fjærland kamen wir am Gletschermuseum vorbei und erreichten über Sogndal die Fähre in Mannheller, die uns über den Sognefjord nach Fodnes brachte.
Nach Lærdal befuhren wir ein Stück der Alten Königsstraße, die über das Filefjell führt und Valdres im Osten mit dem Lærdalental im Westen verbindet. Die angrenzenden Bauern mussten diese Straße bauen und auch unterhalten. Die Straße musste mindestens drei Meter breit sein; Kontrolleure überprüften das. Falls es dem König mal einfallen sollte die Region zu besuchen, benötigte er eine entsprechende Straße. Unser Ziel war die Stabkirche in Borgund, wo uns eine Führung erwartete.
Die Stabkirche Borgund ist eines der ältesten Holzgebäude Europas und die ursprünglichste aller Stabkirchen. Von einst über 1.000 Stabkirchen, sind 28 noch gut und größtenteils im Originalzustand erhalten. Das Holz der Stäbe wurde im Jahr 1180 geschlagen. Mit ihren mehrstufigen Dächern, den Drachenköpfen und Turmspitzen und der Verkleidung mit Holzschindeln versetzte sie uns Jahrhunderte zurück. Um die Kirche verläuft ein überdachter Laubengang; sie hat drei Portale, wobei der Westportal am meisten mit Schnitzwerk verziert ist. Der Mittelraum ist erhöht, die Stäbe werden durch Andreaskreuze stabilisiert. Die Kirche wird außen alle paar Jahre mit einer Mischung aus Öl von der Kiefer, Kohle und Teer „imprägniert“.
Auf dem Weg nach nach Flåm könnte man jetzt den fast 25 km langen Lærdalstunnel nehmen – aber da sieht man ja nichts. Unser Busfahrer Björn hatte eine bessere Idee und schraubte sich mit dem Bus auf dem Aurlandsvegen von Meereshöhe null auf 1.306 Meter hoch. Der Gegenverkehr auf der feldwegbreiten, serpentinenreichen Straße war über unser Erscheinen nicht immer begeistert. Der Weg über das Aurlandsfjell bietet grandiose Einblicke in die Gebirgswelt. Am Aussichtspunkt „Stegastein“ genießen wir den herrlichen Blick auf den Aurlandsfjord. ….und dann geht fast noch steiler runter nach Aurland und von dort weiter nach Flåm. Hier ist etwas shopping angesagt, bevor es mit der modernen Elektrofähre weiter geht. Die Fähre schwebt lautlos durch den Aurlandsfjord und es wird immer enger und dann geht es links ab in den steilen und noch engeren Nærøyfjord; dieser ist wie der Geirangerfjord UNESCO-Weltnaturerbe. Unser Ziel ist Gudvangen. Der Bus ist durch einen Tunnel gefahren und holt uns ab. Da wir kein Interesse an „Smalahove“ (gekochtem Schafskopf) haben, fuhren wir durch die Adrenalin-Hauptstadt Norwegens „Voss“ weiter nach Bergen. Hier blieben wir zwei Nächte.
Am fünften Tag legten Bus und Fahrer eine Ruhepause ein und Tina erkundete mit uns Bergen zu Fuß. Bergen ist die zweitgrößte Stadt in Norwegen. Ganz leichter Nieselregen hat eingesetzt, das kann man in der Hauptstadt des Regens auch schließlich erwarten. Einen kurzen Überblick auf die Stadt gab es am Hafen, wo auch die Versorgungsschiffe für die Ölplattformen liegen. Die Festung Bergenhus, die Håkonshalle, der eingerüstete Rosenkranzturm und natürlich die Holzhäuser des alten Hanseviertels grüßen über dem Wasser. Über enge Gassen ging es in den ehemaligen Klosterbezirk und wir machten der Statue von Amalie Skram (1846 in Bergen geboren) -Schriftstellerin und Frauenrechtlerin- unsere Aufwartung. Etwas weiter oben steht die Statue „Mutter mit Kind“ ein Mahnmal gegen den Krieg. Von dem Platz auf der Landzunge konnten wir den Industriehafen mit dem Terminal der Hurtigruten gut sehen. In Bergen starten die Schiffe der Hurtigruten auf dem Weg zum Nordkapp und kommen nach elf Tagen wieder hierher zurück. Nette bunte Holzhäuser säumen unseren Weg zurück in die Innenstadt.
„Den Nationale Scene“ ist das älteste Theater mit festen Standort in Bergen. Vor dem Gebäude stehen Statuen von Bjørnstjerne Bjørnson und Henrik Ibsen. Die Skulptur „Liegender Poet“ wurde 1958 geschaffen. Weiter auf den Ole Bulls Plans kommt ein Denkmal in Form eines Brunnens für Ole Bull, ein Sohn der Stadt -Violinist und Komponist-. Im Byparken wurde 1917 zwischen Telegraphenamt und dem blumengeschmückten Musikpavillon die Statue von Eduard Grieg aufgestellt … da steht er, der kleine Mann (1,52 m) oben auf der Säule und hat uns so großes mit seinen Peer-Gynt-Suiten hinterlassen. Die Museen um den Byparken sind derzeit von den Zelten des Corona-Zentrums verdeckt. Nördlich schließt sich der Stadtpark an. Wir gehen weiter Richtung Fischmarkt, kurz grüßt uns die Domkirche (wird gerade renoviert) und wir verweilen noch am Denkmal für Ludwig Baron Holberg, dänisch-norwegischer Dichter, 1684 in Bergen geboren. Der Fischmarkt ist wegen Corona etwas ausgedünnt. Die Stände öffnen täglich ab 11 Uhr. Ein großes Angebot befindet sich in den 2012 errichteten Markthallen. Ein kurzer Blick zum Fløyen, da hängt ein tiefes Wolkenband …. wir verschieben besser die Auffahrt.
So geht es weiter in das geschichtsträchtige Hanseviertel „Bryggen“ oder „Tyskebryggen. Das Viertel besteht aus den ehemaligen Handelskontoren der Hanse. Im Jahre 1343 errichtet die Hanse dort ihre erste Niederlassung. Das Hansekontor bestand aus über zwanzig nebeneinanderliegenden Höfen, ganz aus Holz gebaut. Zur Blütezeit machten die deutschen Kaufleute und Handwerker ein Viertel der Stadtbevölkerung Bergens aus. Um Brände zu vermeiden, befanden sich die einzigen geheizten Räume und die Küche in Steingebäuden auf der Nordseite. Gehandelt wurde hauptsächlich mit Getreide aus dem Süden und Fisch aus dem Norden. Seit 1979 steht das Hanseviertel Bryggen mit seinen noch etwa 60 erhaltenen Gebäuden auf der Liste des Weltkulturerbes der UNESCO und gilt als historische Sehenswürdigkeit Bergens.
Der Nachmittag steht zur freien Verfügung, am Fischmarkt was essen, durch die Stadt flanieren oder den Kunstwerken der berühmten Street-Artists nachspüren – jeder so wie es passt. .....und die Entscheidung war richtig: Am nächsten Tag ging es mit der ersten Fahrt der Fløybanen auf den Hausberg, den Fløyen. Und die Stadt, der Fjord, die Berge lagen uns bei herrlichem Sonnenschein und sehr guter Sicht zu Füßen. Dann hieß es Abschied nehmen von Bergen. Die Bergenser behaupten von sich: Wir sind keine Norweger, wir sind Bergenser! Am Denkmal für Madame Felle und an der Reeperbahn vorbei verließen wir die Stadt.
Am sechsten Tag ging es Richtung Hardangerfjord. Das erste Ziel war der Steinsdalsfossen, ein Wasserfall mit 50 m Höhe, den man hinter dem Wasser begehen kann. Auf dem Weg zum Fjord unterhielt uns fetzige Musik, gespielt mit einer Hardangerfiedel. Der Hardangerfjord ist mit 180 km Länge und bis zu 893 Meter Tiefe der zweitlängste und zweittiefste Fjord Norwegens. In der Umgebung wachsen viele Obstbäume wie Äpfel, Birnen, Pflaumen und Kirschen. Mönche brachten im 8. Jahrhundert die Bäume hierher, die Christianisierung gelang nicht aber die Obstbäume blieben. Nirgendwo sonst werden diese Früchte nördlicher angebaut. Tina berichtete, dass Südtiroler Obstbauern erwähnten, dass hier viel weniger gespritzt werden muss, da das Ungeziefer gar nicht erst auftritt. Über dem Fjord grüßt der Folgefonnagletscher, der drittgrößte Festlandsgletscher Norwegens (214 qkm).Wir überqueren die Brücke über den Fyksesund und Tina erzählte von einem Einsiedler der hier vollkommen zurückgezogen lebt. Ein Neffe stellt einmal in der Woche Nahrungsmittel, Post und Zeitung ab. Wenn er in der nächsten Woche kommt und die Sachen sind noch da, weiß er, dass sein Onkel verstorben ist. In Steinstø legten wir in einem Cafe/Laden an der Straße eine Pause ein. Die Äpfel dufteten herrlich und der Apfelkuchen schmeckte sehr gut.
Bei der Weiterfahrt kamen wir an einem Aluminiumwerk vorbei. Norwegen ist ein großer Aluminiumproduzent, die Rohstoffe kommen aus Australien und werden hier verarbeitet, da die Elektrizität hier sehr günstig ist. Hauptsächlich werden aber Öl, Fisch und Holz exportiert.
Wir fuhren in den Vallaviktunnel mit seinem extravagantem Kreisverkehr mit blau beleuchteter, pilzförmiger Deckenstütze. Aus dem Tunnel heraus ging es direkt auf die Hardangerbrücke über den Eidfjorden und gleich wieder auf der anderen Seite in den nächsten Tunnel. Von einem Aussichtsplatz konnten wir später die Brücke von oben sehen. Es ging wieder in die Bergwelt und zum Stopp am Vøringsfossen. Ein Wasserfall mit einer Fallhöhe von knapp 200 m, die größte Freifallstrecke des Wasser beträgt 145 m. Die Schlucht ist von oben sehr gut mit Plattformen begehbar und seit 2020 gibt es auch eine Fußgängerbrücke über dem Wasser. Es geht noch ein Stück weiter hoch zum Sysenvatn, einem Stausee auf 940 m, umgeben von Preisel-, Blau- und Rauschbeeren. Über dem See grüßen die Gletscher. Und dann ging es weiter auf die Hardangervidda, der größten Hochebene Europas. Die alpine Hochfläche ist geprägt von Wiesen und Moorlandschaften, die von Tümpeln, Seen und Flüssen durchzogen werden. Das gesamt Areal liegt über der Baumgrenze - es gibt nur Büsche oder Sträucher. Aufgrund der Höhe herrscht hier arktisches Klima. Auf der Hochfläche leben normalerweise Bergrentiere. Die Tiere hatten eine Krankheit und mussten getötet werden. Im Norden wird ein neuer Herdenstamm gezüchtet und wird hier wieder angesiedelt werden. Wir lernen noch die historisch gewachsene Bedeutung der Farben an den Häusern kennen: Rot = Bauernhof, braun = Landbevölkerung (meist mit Grasdach), weiß = reiche Leute (nur die konnten sich die weiße Farbe leisten). Im Wintersportort Geilo beziehen wir zum letzten mal unser Quartier.
Der Abschiedstag steht an. Nach dem Frühstück geht es über Gol Richtung Oslo. Am Tyrifjord sehen wir Insel Utøya auf der am 22. Juli 2011 ein Massaker auf die Teilnehmer eines Feriencamps verübt wurde und dem 69 (+ 8 zuvor in Oslo) Menschen zum Opfer fielen. In diesem Jahr wurde erstmals wieder ein Feriencamp der Jugendorganisation der sozialdemokratischen Arbeiterpartei veranstaltet; der Terror soll nicht siegen.
In Oslo fuhren wir direkt auf den Holmenkollen und besichtigten die neue Sprungschanze. Sie wurde 2011 anlässlich der Weltmeisterschaft eröffnet. Anschließend konnten wir einen Blick ins Biathlonstadion werfen, wo schon fleißig auf Rollerski trainiert wurde. Dann stand die Stadtbesichtigung an – aber der Oslo-Marathon erforderte Improvisation. Die wichtigsten Punkte wie Oslo-Oper, Karl Johans-Gate, Storting, königliches Schloss, Grand Hotel, Alte Universität, National-Theater, Rathaus, Oslo-Fjord, Festung Akershus und die ältesten Steinhäuser konnten wir doch sehen. Dann war es Zeit zum Flughafen zu fahren. Wir verabschiedeten uns von Björn und Tina. Das Einchecken in Oslo war gegenüber Frankfurt fast wie ein Sanatoriumsaufenthalt. In Frankfurt sind wir pünktlich gegen 20 Uhr gelandet (keiner wollte da unsere ausdrücklich als notwendig deklarierten Einreisepapiere sehen). Der Bus der Firma Meister brachte uns wieder sicher nach Ramsen zurück
…. und wie formulierte da eine Mitreisende am nächsten Tag so treffend: „Ich bin zwar körperlich zurück – aber meine Seele hängt noch in Norwegen.......“
22.09.2021, Regina Schulz
Studienreise Ostfriesland mit der Kolpingsfamilie Ramsen
Vom 10.10. - 15.10.2020 hatte die Kolpingsfamilie Ramsen eine Studienreise nach Nordfrankreich geplant. Nachdem das Auswärtige Amt die Reisewarnung auf das Gebiet „Hauts de France“ ausgedehnt hatte, musste die Gruppenreise abgesagt werden.
Als Ersatz wurde dann kurzfristig eine Studienreise nach Ostfriesland organisiert. Die 15 Teilnehmer freuten sich als es am 10.10.2020 endlich Richtung Norden los ging. Genügend Abstand im Reisebus war gegeben, die Maskenpflicht wurde eingehalten, Besuche von Museen waren bewusst nicht eingeplant und Risikogebiete wurden nicht angefahren.
Die erste Pause war beim Rasthof Brohltal. Neben uns stand ein weiterer Bus. Beim Aussteigen trafen sich zwei Schwestern, eine mit dem Ziel Ostfriesland und die andere Richtung belgische Grenze unterwegs. ...und das ohne Absprache. Eine größere Pause fand in Meppen statt und wir erkundeten die Altstadt. Gegen Abend erreichten wir Leer und bezogen für fünf Nächte unser Quartier im Hotel Lange, das außerhalb am alten Arm der Leda liegt.
Am nächsten Morgen stand in Leer eine Stadt- und Hafenführung auf dem Programm. Der Himmel hatte zunächst Freudentränen für uns parat, sodass uns die Stadtführerin im „ostfriesennerz-farbenen“ Regencape begrüßte. So ging es mit bunten Regenschirmen zum Museumshafen wo wir unter anderem Plattbodenschiffe kennenlernten. An den beiden Wahrzeichen der Stadt, dem Waagegebäude von 1714 im niederländischen klassizistischen Barock -heute ein nobles Restaurant- und dem Rathaus von 1894 im deutsch-niederländischen Renaissancestil, ging es vorbei in das Herz der Altstadt. Liebevoll restaurierte Gebäude, enge Gassen, kleine Läden und Teestuben laden zum Verweilen ein. Das „Haus Samson“, 1643 im niederländischen Barock erbaut, ist das schönste Gebäude der Stadt und beherbergt heute die Weinhandlung Wolff. Eine Pause wurde im Kulturspeicher und in einer Teestube eingelegt. Danach ging es mit dem Bus in den Stadtteil Loga zur Evenburg, einer Wasserburg aus dem Jahr 1650; umgebaut im 19. Jh., umgeben von einem Landschaftspark im englischen Stil. Anschließend fuhren wir durch das Rheiderland in das malerische Fischerstädtchen Ditzum.
Unterwegs erfuhren wir viel über die ostfriesische Teekultur, z.B. dass „drei Tassen Ostfriesenrecht“ sind und für was der Teelöffel gebraucht wird, wo doch überhaupt nicht umgerührt wird. Pro Kopf verbrauchen die Ostfriesen so 5 – 7 Pfund Tee im Jahr.
Am nächsten Tag stand ein Ausflug auf die Krummhörn an. Zuerst machten wir in Suurhusen dem Schiefsten Turm der Welt unsere Aufwartung. Der Kirchturm ist etwas über 27 Meter hoch und weist am Dachfirst einen Überhang von 2,47 Meter auf, was einer Neigung von 5,19 Grad entspricht. Dann fuhren wir weiter nach Marienhafe. Die im Jahre 1250 begonnene Marienkirche besichtigten wir und konnten uns ein Bild ihrer einstigen Größe machen. Dann bestiegen wir den markanten Turm. Über die Störtebekerkammer ging es zunächst über eine Wendeltreppe aus Holz und dann immer enger werdend aus Stein auf die obere Aussichtsplattform. Der Aufstieg hat sich gelohnt, Ostfriesland lag uns bei herrlichem Sonnenschein zu Füßen, selbst die Niederlande grüßten aus der Ferne. Im Mittelalter war Marienhafe Seehafen und wurde Ende des 14. Jh. Zufluchtsort des legendären Seeräubers Klaus Störtebeker.
Über Norden, mit kurzem Stopp an dem Gebäudeensemble der „Drei Schwestern“ und der Ludgerikirche von 1445, ging es nach Greetsiel. Nahe der Zwillingswindmühlen stiegen wir aus und besuchten den Fischerort. 1464 – 1744 war Greetsiel Stammsitz des prominenten Cirksena-Clans. Das alte Sieltor aus dem Jahr 1798 hat keine Funktion mehr; der Ort ist nicht mehr tideabhängig. Im Hafen bilden die Krabbenkutter ein buntes Bild. Die Häuserzeile aus dem 17. Jh. gibt dem ganzen einen erhabenen Rahmen. Zwischenzeitlich ist der Ort aber etwas überlaufen. Auf der Weiterfahrt konnten wir einen Blick auf den Pilsumer Leuchtturm werfen. Er fungiert schon lange nicht mehr als Leuchtturm – aber mit seiner rot/gelben Bemalung ist er das Wahrzeichen Ostfrieslands und wird meist „Otto-Turm“ genannt.
Weiter ging es nach Rysum, einem alten Rundwarftendorf. Ortsmittelpunkt ist die an höchster Stelle der Warft gebaute Kirche. Sie beherbergt die älteste noch spielbare und im Grundbestand erhaltene Orgel Europas aus der Zeit um 1440. Darüber hinaus gibt es ältere Gulfhöfe, eine Windmühle, und kleine Häuschen der Landarbeiter, ach ja, ein Türschild trägt den Namen „Merkel“ (ob das Häuschen der Kanzlerin gehört?).
Über Emden und am „Otto-Haus“ vorbei fuhren wir zum Emssperrwerk bei Gandersum, ein Bauwerk des Küstenschutzes an der Unterems. Die Gesamtlänge des Sperrwerkes beträgt 476 Meter mit sieben Durchflussöffnungen. Mit dem Sperrwerk wird auch die Ems aufgestaut, damit größere Schiffe der Meyer-Werft von Papenburg zur Nordsee überführt werden können. Wir erfuhren wie wichtig die Deiche für das Land sind und wie die Sieltore und Schöpfwerke funktionieren. Die Schafe sind als Deichpfleger angestellt, sie düngen und treten die Grasnarbe fest. Für Hunde sind die Deiche verboten, damit die Schafe nicht krank werden. Die „friesische Freiheit“ geht auf die Zeit Karls des Großen zurück, Abgaben und Wehrdienst mussten die Friesen nicht leisten aber sie waren verpflichtet die Deiche in Ordnung zu halten. Der alte Spruch: „Wer nicht deichen will – muss weichen“ hatte über viele Jahrhunderte Gültigkeit. Wer den Deich nicht mehr pflegen konnte, rammte seinen Spaten in den Deich und verlor damit sein Land. Wer den Spaten annahm war neuer Besitzer des Landes. Heute übernimmt der NLWKN den Küstenschutz.
Am nächsten Tag war ein zeitiges Frühstück angesagt. Wir fuhren früh los um in Neßmersiel die Fähre zur Insel Baltrum zu erreichen. Die Anfahrt verlief reibungslos, die Nordsee lag ganz ruhig vor uns und die Überfahrt verlief ohne Zwischenfälle. Die Insel Baltrum empfing uns mit Sonnenschein. Zunächst umrundeten wir den Westkopf und konnten uns ein Bild vom Küstenschutz an der Angriffsseite der Insel machen. Im Laufe der Jahrhunderte „wanderten“ die ostfriesischen Inseln immer weiter ostwärts. Erst durch die massive Befestigung an der Westseite der Inseln konnte die Wanderung gestoppt werden.
Anschließend schlenderten wir durch das Dorf, vorbei an der alten Schule, der Alten Inselkirche und der Inselglocke, dem Wahrzeichen der Insel, ging es in die „Einkaufsmeile“. Gestärkt mit Fischbrötchen, stand jetzt ein Spaziergang am weißen Sandstrand an. Dann bestiegen wir die Aussichtsdüne und konnten einen Eindruck über die Welt der Weiß- , Grau- und Braundünen gewinnen. Durch ein kleines Wäldchen erreichten wir den Rosengarten und ließen uns von der Märchenwelt verzaubern. Über den Hellerhook wanderten wir weiter zur Teestube, legten auf den gemütlichen Sofas eine Pause ein und genossen die Spezialitäten aus Küche und Backstube.
Gut gestärkt ging es dann weiter zur reetgedeckten katholischen Kirche, die im Atrium mit einer Sommerkirche und im beheizbaren Rundbau mit einer kleinen Winterkirche aufwartet. Wir kamen an der Inselschule vorbei und konnten dann einen Blick in die große evangelische Kirche werfen. Am Heimatmuseum im alten Zollhaus wurde kurz geschildert, was es da so alles zu sehen gibt. Dann querten wir den Flugplatz und erreichten eine Salzwiese. Letzte Blüten von Strandaster- und -flieder waren noch zu entdecken. Der Queller hat seine Farbe von grün auf rot gewechselt und zeigt jetzt sein Herbstkleid. Leider verging der Tag viel zu schnell und es wurde Zeit die Fähre zu erreichen. Herr Meister wartete bereits mit dem Bus am Hafen und in der Dämmerung fuhren wir zurück nach Leer.
Mittwochs stand dann in Papenburg eine Erkundung rund ums Moor an. Zunächst besuchten wir die van-Veelen-Anlage am Splittingkanal und erfuhren viel über die Geschichte der Stadt, über die „Schnapsidee“ den Leuchtturm von Riga in Papenburg nachzubauen und über die Besiedlung und Kultivierung des Moores. In kleinen Katen aus Heideplacken und Torf „wohnten“ die Familien mit 12 – 14 Kindern und dem Vieh. Der Schwarztorf wurde gestochen, getrocknet, auf Schiffe geladen und über Kanäle in die Städte und zu den Ziegeleien als Brennmaterial gebracht. Für ein Tagwerk Torf konnten 28 Backsteine auf dem Rückweg mitgebracht werden. Damit wurden dann nach und nach die Katen etwas befestigt und Kamine zum Rauchzug gebaut.
Zwei kleine Boote mit Elektroantrieb schipperten uns über Kanäle zum HÖB-See, beim passieren der Brücken mussten wir die Köpfe einziehen. Weiter ging es dann zum Moorlehrpfad in Aschendorf. Am Parkplatz gab es zunächst eine Stärkung aus dem Rucksack, bevor wir uns auf die Erkundung des Moores begaben. Hier und da leuchtet noch etwas lila Glockenheide. Schöne Herbstfarben begleiteten uns auf dem Rundgang. Im Zentrum von Papenburg legten wir am Hauptkanal noch eine Kaffeepause ein. Dann ging es zum „Abschiedsessen“ zurück ins Hotel.
Donnerstags rollte der Bus dann wieder Richtung Heimat. In Emsbüren machten wir noch eine Pause und trafen gegen 17 Uhr wohlbehalten in Ramsen ein.
Reisen in Zeiten mit Corona, muss das denn sein? Das muss jeder für sich selbst entscheiden. Es ist egal wo man ist, wichtig ist, wie man sich benimmt. Für unsere Seele und unser Gehirn sind etwas Abwechslung und Anregung sehr wichtig. Die Reiseteilnehmer haben die neuen Eindrücke gut aufgenommen und die „Ersatzreise“ verlief erfolgreich.